STEPHANIE GRAF, INNSBRUCK, FLORIAN PISTROL, INNSBRUCK, LAURIN MACKOWITZ, GRAZ & ANDREAS OBERPRANTACHER, INNSBRUCK
Zusammenfassung: Die politische Bedeutsamkeit von Metaphern wurde bisher bestenfalls punktuell zum Thema der Praktischen Philosophie, insbesondere der Politischen Philosophie gemacht. Wenngleich es Studien zu einzelnen Metaphern qua politische Bedeutungsträger bzw. zur metaphorischen Tradition spezifischer Aspekte von Politik gibt, ist die Politizität von Metaphern per se sowie die politische Valenz und Relevanz der Metaphorik relativ selten zur Diskussion gestellt worden. Folgender Schwerpunkt versteht sich als Versuch, einen Beitrag zu diesem wenig beleuchteten Thema zu leisten, indem Ansätze zu einer Politischen Metaphorologie versammelt werden und zugleich auf die politische Funktion, Wirkung und Kritik von Metaphern fokussiert wird. Diese Einleitung führt an die Thematik heran und erörtert erstens, inwiefern Metaphern politisch sind und weshalb es darauf ankommt, einen Begriff der Politik zu entwickeln, der sich seiner Metaphorik(en) bewusst ist. Zweitens werden wir anhand des Repertoires an nautischen Metaphern exemplarisch zeigen, wie sehr selbst die Praktische Philosophie von metaphorischen Wendungen durchsetzt ist. Und schließlich werden wir drittens drei gesonderte Perspektiven auf die Politizität von Metaphern skizzieren. Eine Synopse der einzelnen Beiträge findet sich zum Schluss dieser Einleitung.
Schlagwörter: Metaphern, Metaphorologie, Politische Theorie, Sprachphilosophie, Diskursforschung, Flucht, Migration, Odyssee, nautische Metaphern.
Abstract: The political significance of metaphors has so far only rarely been made the subject of practical philosophy or, more specifically, of political philosophy. Although there are investigations of individual metaphors as political symbols and of the metaphorical dimension of particular aspects of politics, the politicity of metaphors as such and the political value and relevance of metaphorical language have not been much discussed. This special issue seeks to contribute to this understudied field by bringing together different approaches to a political metaphorology, focusing on the function, effect, and criticism of metaphors. This introduction sets the scene. We will begin by examining in what sense metaphors are political and why it is important to develop a concept of politics that is aware of its metaphoricity. Second, and using the plethora of nautical metaphors as an example, we will show the extent to which even practical philosophy is permeated by metaphors. Finally, we will outline three different perspectives on the politicity of metaphors. A synopsis of the articles that follow rounds things off.
Keywords: Metaphors, metaphorology, political theory, philosophy of language, critical discourse studies, refugees, migration, odyssey, nautical metaphors.
Roots make the commonality of errantry
and exile, for in both instances roots are
lacking. We must begin with that.
Éduard Glissant, “Errantry, Exile” (1987)
Die philosophische Auseinandersetzung mit dem Themenfeld der Metapher fand bislang kaum vorranging aus der Perspektive einer politischen Philosophie statt. Das wird am Beispiel der Rezeption desjenigen Denkers augenscheinlich, der den Begriff der Metaphorologie zuallererst geprägt hat: Hans Blumenberg. Selten sind seine Schriften auf Resonanz innerhalb der politischen Philosophie gestoßen, kaum ist sein Beitrag zu einem Denken des Politischen gewürdigt worden. Zwar könnte sich dies ändern, wenn man sich einige vor kurzem erschienene Publikationen anlässlich des hundertsten Geburtstags Blumenbergs bewusst macht: Felix Heidenreichs jüngstes Buch Politische Metaphorologie: Hans Blumenberg heute (2020) etwa versucht, Metaphorologie politisch zu denken. Ebenfalls anlässlich des Jubiläums erschien in Buenos Aires ein Sammelband zu Blumenbergs politischem Denken (vgl. Laleff Ilieff/Ricci Cernadas 2021). Gewarnt sei allerdings sowohl davor, die politische Dimension der Metaphorologie allein auf diesen Denker zu begrenzen, als auch davor, die Politizität einer Metaphorologie auf einen Politikbegriff zu reduzieren, der nach der operativen Dimension von Metaphern lediglich im Sinne einer „intellektuellen Kampfkunst“ (Heidenreich 2020, 79) sucht. Der vorliegende Schwerpunkt hat sich diese Restriktionen nicht gesetzt. Explorativ werden wir verschiedene Möglichkeiten, die Politizität von Metaphern und die politische Dimension der Metaphorologie zu denken, zur Diskussion stellen.
Worin wir vorsichtig Heidenreich zustimmen können, ist zunächst einmal das Argument, dass Metaphern eine „kanalisierende“ (Heidenreich 2020, 90) Funktion für die Wege unseres Denkens haben. Damit sind sie auch nicht von der Bildung der Subjektivität entkoppelt und somit – auf eine viel eminentere Weise – prinzipiell politisch. Doch gehen wir zunächst einen Schritt zurück: Metaphern wie Begriffe, so ließe sich vielleicht formulieren, resultieren aus der Anstrengung, mit etwas außerhalb ihrer selbst umzugehen. Sie meinen „über sich hinaus“ (GS 6, 23 [Einleitung in die Negative Dialektik]), wie Theodor Adorno mittels einer Reflexion über das Nichtbegriffliche betont. Sprachliche Mittel, seien es begriffliche oder bildliche, genügen sich nicht selbst, sondern umfassen ein Nichtbegriffliches, machen „es tendenziell sich gleich“ (ibid.). Zudem schreibt Blumenberg dem Begriff eine gewisse Aggressivität zu: analog zu einer Falle, antizipiert begriffliches Denken seinen Gegenstand, schafft es, „präventiv [in ihn] hinein[zu]stoßen“ (Blumenberg 2007, 19). Ein ähnliches Verlangen nach Vorhersehbarkeit und Kontrolle mag in der metaphorischen Bedeutungsweise liegen. Es geht in jedem Falle darum, ein Unverstandenes verstehbar oder gar dienstbar zu machen. Damit hängen Mythos und Metapher aufs engste zusammen: Blumenberg sieht in ihrem Verhältnis einen Übergang am Werk (Blumenberg 2013, 111). Dabei versteht er den Mythos nicht als ein prälogisches Phänomen, sondern als eine Struktur, die die Möglichkeit eines Verstehens von Phänomenen, die sich der Einsicht entziehen, möglich macht (vgl. Blumenberg 2019, 112). Wenn wir mit Blumenberg die Metapher als eine Störung, gleichsam als eine semantische Anomalie fassen können, d.h. schlicht als ein Wort, das etwas anderes meint als es bedeutet (vgl. Blumenberg 2007, 61), so bilden Mythos und das, was er die absolute Metapher (ibid.) nennt, dessen Umfeld: als semantisches Modell oder Gerüst, aus dem Sprache ihre Neubildungen schöpft. Mit anderen Worten, sie bereiten den Boden für eine solche Neuverhandlung und stellen diejenigen Denkstrukturen bereit, anhand welcher sich menschliche Subjektivität orientiert und selbst versteht. Aus deren Fundus bedient sich das sprechende Subjekt, um das Verhältnis zum Unbegreiflichen anschaulich zu machen (vgl. Blumenberg 2007, 51). Dabei kommt es allerdings immer wieder zu einem Sich-Zurücknehmen der Metapher (vgl. Blumenberg 2007, 65), die simultan auch die Unzulänglichkeit einer jeden Versinnlichung problematisiert.
Dass dieses Gerüst der jeweiligen Metaphorik prinzipiell, d.h. eminent politisch ist, zeigt das Beispiel desjenigen Repertoires, das aus dem menschlichen Verhältnis zum Meer schöpft. Es ist vielleicht nicht übertrieben, wenn die homerische Erzählung von Odysseus und seiner Reise, der Mythos der Irrfahrt also, von Adorno und Horkheimer als „Grundtext der europäischen Zivilisation“ (Adorno/Horkheimer 2006, 53) bezeichnet wird. Diese Feststellung zielt auf die Zentralität eines semantischen Fundus, aus dem Subjektivität seit der Antike schöpft, um sich selbst in ihrem Verhältnis zum Meer – sowie zum Land – zu bestimmen. Dieses Verhältnis ist allerdings ein ambivalentes: Es ist das des „zitternde[n] Schiffbrüchigen“ (Adorno/Horkheimer 2006, 53), der der Gewalt des Ozeans ohnmächtig gegenübersteht. Allerdings nimmt dessen Zittern, so heißt es in der Dialektik der Aufklärung, schon die Orientierungsarbeit des Kompasses vorweg (ibid.): die Angst vor dem Unkontrollierbaren geht mit dem Verlangen nach Beherrschung einher. Das Bild der Irrfahrt ermöglicht es, dass sich ein Selbst in Abgrenzung zu den Zerstreuungen der wohl kartographierten „Abenteuer“ ablöst. „Das unendliche Meer ist deshalb seit der Antike die Bühne des Subjekts“ (Kohpeiß 2023, 9), heißt es in Henrieke Kohpeiß’ Buch Bürgerliche Kälte, einer Relektüre des Odysseus-Exkurses Adornos und Horkheimers mittels Akzentuierung der kolonialen Affekte. Die Kehrseite der Subjektkonstitution zwischen „Helden der Seefahrt und Retter aus den Fluten“ liegt darin, dass sie nur funktioniert, wenn „andere in ihnen ertrinken“ (ibid.): „Die einen hebt das Meer empor und macht sie unvergesslich, die anderen begräbt es und verwischt alle Spuren ihrer menschlichen Existenz. Das Meer kann zur Waffe werden und zum Massengrab. Es hält das Versprechen ewiger Neuentdeckung oder gar Eroberung bereit und ist, je nach Seegang, freundlicher Begleiter oder unüberwindbares Hindernis“ (ibid.).
Dass es sich bei der Ordnung, die von der Bilderwelt der Odyssee umschrieben wird, um eine koloniale handelt, gibt der homerische Text selbst zu erkennen. Von geplünderten Inseln, enteigneten Gemeinschaften und gestürzten Göttern wird dort berichtet; die Gewalt und Aggression der attischen Seefahrer, euphemistisch als die Abenteuer des Odysseus besungen und als Heldentaten gerühmt, hat Emily Wilson (2018) in ihrer kruden und nicht beschönigenden Neuübersetzung der Odyssee ins Englische nochmals deutlich gemacht. Der Ozean erlaubt es dem Imperium den räumlichen Zugang zu den Gebieten, die in Territorium verwandelt und angeeignet werden. Die gesellschaftliche Ordnung, die sich als Resultat von Kolonisierung abzeichnet, wird in rechtlichen Statuten fixiert. Die „kalte Distanz“ (Adorno/Horkheimer 2006, 86) des Seefahrers zu den als „Wilde“ degradierten und als bestialisch stilisierten Lebensformen zeugt von der ungerührten Gelassenheit einer Subjektivität, die pointiert als imperiale charakterisiert werden kann. Dieser atomisierten Subjektivität ist einzig die Exotisierung des Anderen als die „Sehnsucht dessen, der vorüberfährt“ (Adorno/Horkheimer 2006, 67) erlaubt. Die Bandbreite der Politizität von Metaphorik sowie die politische Dimension der Metaphorologie kann also bevorzugt am nautischen Repertoire exemplifiziert werden.
Wie Hans Blumenberg gleich zu Beginn seines Essays Schiffbruch mit Zuschauer (1979) schreibt, können „Land“ und „Meer“ nämlich als konstitutive Paradigmen für die Reflexion des menschlichen Daseins bezeichnet werden. Allerdings markiert das „und“ ein gespanntes Verhältnis, denn, so Blumenbergs leitende These: „Der Mensch führt sein Leben und errichtet seine Institutionen auf dem festen Lande. Die Bewegung seines Daseins im ganzen jedoch sucht er bevorzugt unter der Metaphorik der gewagten Seefahrt zu begreifen.“ (Blumenberg 1979, 9) Zwischen Land und Meer hin- und hergerissen, erscheint das menschliche Werden Blumenbergs Erkundungen zufolge also von einem konstitutiven Widerstreit gezeichnet, als ob die basalen Neigungen menschlichen Verlangens Folge seiner amphibischen Evolution wären.2 Und dieser Widerstreit ist nicht nur existenziell, sondern auch für ein kritisches Verständnis der Geschichte des philosophischen Denkens bedeutsam.
Tatsächlich hat neben dem Genre der Bodenständigkeit, Geborgenheit und Sesshaftigkeit jenes der Seefahrt vielfache Textspuren hinterlassen und die Entwicklung philosophischer Argumente geprägt, wie Blumenbergs detaillierte Rekonstruktion metaphorischer Bezüge anschaulich verdeutlicht (siehe auch Erdoğan 2003; Scholtz 2016). Angefangen von Thales’ Mutmaßung, dass „alles Feste Land auf dem Ozean schwamm“ (Blumenberg 1971, 171; vgl. Wöhrle 2009, 51–53), zeigt sich an verschiedensten Stellen, wie die Faszination von Land und Meer wiederholte Male als Gelegenheit erkannt und ergriffen wurde, den Prozess des philosophischen Denkens zu reflektieren, indem man diesen teils mit chthonischen, teils mit pelagischen Erzählmotiven verband und metaphorisch als „Weg“ oder als „Kurs“ skizzierte. Dabei ist jedoch zu beachten, wie Blumenberg in Erinnerung an Augustinus’ frühen Dialog De beata vita (386) bemerkt, dass es eine wiederkehrende, d.h. klassische Trope ist, die Seefahrt primär als rhetorisches Stilmittel zu verwenden, um letzten Endes dann doch wieder dauerhaft „Boden unter den Füßen“ zu gewinnen. So denkt bereits Augustinus den Kurs durchs unstete Meer immer schon vom „Festland des Glücks“ (Augustinus 1972, 181) her, welches es nach Irrfahrten zu erreichen gilt, und zwar durch ein Philosophieren, das er als „Hafen“ (Augustinus 1972, 185), aber auch als „Schoß“ (Augustinus 1972, 184) konzipiert. Bei genauerer Lektüre kanonisch gewordener Texte der Philosophiegeschichte wird also erkennbar, dass die mehrfach bekundete Hinwendung zum Meer tendenziell vom Land her erfolgt, was laut Blumenberg wiederum besagt, dass vielen herkömmlichen philosophischen Argumenten „die Vorstellung der Gefährdung auf der hohen See nur dazu [dient], die Behaglichkeit und Ruhe, die Sicherheit und Heiterkeit des Hafens vorzustellen, in dem die Seefahrt ihr Ende finden soll“ (Blumenberg 1979, 9).
Diese suggestive, wiewohl reduktive „Kontraposition von festem Land und unstetem Meer“ (Blumenberg 1979, 12) spiegelt sich Blumenbergs Argumenten folgend einerseits im Bild des Schiffbruchs und andererseits im Typus des „unbetroffene[n] Zuschauer[s]“ (ibid.) als jener Erzählfigur wider, welche am Ufer des Umlandes stehend nautischen Katastrophen folgt, ohne von diesen Unglücksfällen selbst gefährdet oder gerührt, d.h. in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Als paradigmatische Daseinsmetapher gedacht, ist die Korrelation von „Schiffbruch mit Zuschauer“ insofern eine relativ spezifische Komposition, als sie einen Zusammenhang erfasst, der sich nach und nach als Sprachbild-Typus etablierte, schließlich aber Generationen von philosophischen Debatten – implizit oder explizit – rahmte und zugleich eine eigentümliche Haltung des philosophischen Denkens zum turbulenten historischen (Welt-)Geschehen reflektiert: Was auch immer geschehen mag, der „Genuß des eigenen unbetroffenen Standorts“ (Blumenberg 1979, 31) ist primär jenen gewiss, die sich kontemplativ zu den Katastrophen, die sich um sie herum ereignen, zu verhalten wissen. Genossen wird dabei nicht so sehr die Qual, die Andere qua Schiffbrüchige erleiden, sondern „das Selbstbewußtsein gegenüber dem Atomwirbel, aus dem alles besteht, was er [der Zuschauer] betrachtet – sogar er selbst“ (Blumenberg 1979, 31; vgl. dazu auch die frühere Studie von Blumenberg 1971, 178).
Wenn es sich so verhält, wie Blumenberg anhand diverser metaphorologischer Befunde erörtert, dass die Philosophie bevorzugt als Hafenanlage
oder als Ankerplatz adressiert wurde, dann ist für ein kritisches Verständnis ihrer Geschichte bedeutsam, dass sich jene Epoche, die Moderne genannt wird, vermehrt zu einem umherdriftenden Denken bekannte, d.h. den Glauben an eine heimkehrende Landung zusehends verlor. Friedrich Nietzsches Fröhliche Wissenschaft (1882/1887) bietet wahrscheinlich eines der beredtsten Zeugnisse von dieser sukzessiven Revision sinnstiftender Paradigmen, wenn er am Beginn der Vorrede zur zweiten Ausgabe bekundet, dass dieses Buch „in der Sprache des Thauwinds“ (Nietzsche 1973, 13) verfasst worden sei, und eine Reihe von Paragraphen das Fließende, Wogende und Strömende betonen, so auch der Aphorismus § 124, welcher mit folgender Mahnung endet: „Wehe, wenn das Land-Heimweh dich befällt, als ob dort mehr Freiheit gewesen wäre, – und es giebt kein ,Land‘ mehr!“ (Nietzsche 1973, 158; vgl. Blumenberg 1979, 23–28) Das Meer kehrt – zwischen den Zeilen – anders wieder, so könnte man vielleicht sagen, als sich das, von diversen Krisen gezeichnete kritische Denken der Moderne (siehe Koselleck 1976, 132–157; vgl. dazu Lara 2021) als grundlos, unbegründet und abgründig zu reflektieren beginnt und philosophisch seltener als bisher das Bedürfnis zur Sprache gebracht wird, sich durch fixe Ideen am „Grund der Dinge“ verankern zu wollen. Oder, wie Zygmunt Bauman wohl sagen würde: Die Moderne beginnt, sich zu verflüssigen (siehe Bauman 2006, 25).3
Das moderne philosophische Wagnis, sich, metaphorisch gesprochen, auf das „unheimlich Einzige des Meeres“ einzulassen, Bestehendes zu transzendieren, sich treiben zu lassen, um so die „Bewegung seines Daseins“ nachzuvollziehen, wird zugleich jedoch relativiert, um nicht zu sagen: konterkariert von einer historisch begrenzten Institutionalisierung der zwischenmenschlichen Bezüge, welche sich während der Moderne primär an der Idee eines Halt bietenden Festlandes orientierte, wiewohl die Schifffahrt von eminenter Bedeutung für die Durchsetzung staatlicher Regierungsinteressen war. Gemessen an der geschichtsträchtigen Idee, dass die Differenz zwischen Land und Meer eine „wesentliche“ sei und allein die terra ferma eine staatliche Verfassung zu gründen sowie eine „sinnfällige Einheit von Raum und Recht, von Ordnung und Ortung“ (Schmitt 2011, 13) zu garantieren vermöge, wie Carl Schmitt mit seinen völkischen Schriften Land und Meer (1942) und der Der Nomos der Erde (1950) suggerierte, scheint es jedenfalls konsequent, die Seefahrt als Inbegriff der „Grenzverletzung“ (Blumenberg 1979, 9) wiederholt zu verdächtigen und zu bezichtigen, konstitutive Verhältnisse durcheinander zu bringen, sie zu durchkreuzen.4
Wenngleich Blumenberg den Schiffbruch mit Zuschauer als Daseinsmetapher primär in erkenntnistheoretischer Hinsicht rekonstruiert, indem er sich teils auch für ihre ästhetischen, moralischen und existentiellen Dimensionen interessiert, so wird an wiederholter Stelle seiner Studie doch ersichtlich, dass es noch weitere Motive dieser geschichtsmächtigen Metapher gibt, die speziell für den Bereich der Praktischen Philosophie relevant sind. Eines jener Motive, die Blumenberg zwar am Rande streift, jedoch kaum weiterverfolgt, ist das kapitale Motiv des Staatsschiffes.
Die nautische Metapher des Staates als Schiff ist nachweislich eine antike (siehe Wolf 2008, 445-446), findet sich aber – durch die christliche Kybernesis (Gemeindeleitung) vermittelt – seit Beginn der neuzeitlichen Entdeckungs- und Eroberungsfahrten an prominenter Stelle von philosophischen Konzeptionen des Staatswesens wieder. Laut Herders Journal meiner Reise im Jahr 1769 (1846), welches gegen Ende des selbigen Jahres verfasst worden sein dürfte und seine Reise von Riga bis Amsterdam schildert, wo er kurz vor Ankunft Schiffbruch erlitt, ist das Schiff als Miniatur der Assoziation besonders für die Modellierung jener staatlichen Regierungen geeignet, die mit „unwirtlichen“ Verhältnissen rechnen: „Das Schiff ist das Urbild einer sehr besondern und strengen Regierungsform. Da es ein kleiner Staat ist, der überall Feinde um sich siehet, Himmel, Ungewitter, Wind, See, Strom, Klippe, Nacht, andre Schiffe, Ufer, so gehört ein Gouvernement dazu, das dem Despotismus der ersten feindlichen Zeiten nahekommt. Hier ist ein Monarch und sein erster Minister, der Steuermann; alles hinter ihm hat seine angewiesenen Stellen und Ämter, deren Vernachlässigung und Empörung insonderheit so scharf bestraft wird.“ (Herder 1976, 19; siehe Wolf 2008, 444)
Trifft es zu, wie der von Blumenberg zitierte Jurist Helmut Quaritsch in seinem Aufsatz „Das Schiff als Gleichnis“ (1979) zu bedenken gibt, dass sich das lateinische Verb gubernare („steuern“), welches mit Wörtern wie gubernaculum („Steuerruder eines Schiffes“) etymologisch verwandt ist und zu einem nautischen Begriffsrepertoire gehört, vor allem in jenen Regionen erhalten hat, die „dem Einfluß der Sprache des [römischen; Hinzufügung der Verfasser*innen] Imperiums unterworfen waren“ (Quaritsch 1979, 260), dann kann fürwahr von maritimen Beiklängen der Gouvernementalität – qua kybernetischer Regierungskunst – gesprochen werden. Anders gesagt, die neuere Geschichte des Staates lässt sich nur bedingt anhand von Prozessen der (De- und Re-)Territorialisierung verstehen. Was die Organisation der sozialen Verhältnisse und die Durchsetzung staatlicher Interessen an der Schwelle von Politik und Ökonomie betrifft, so war es wiederholt das Bordregime, d.h. das Verhältnis von Befehlsgewalt, Schiffsbesatzung, Navigationsgeräten, Steuerungswissen etc., welches als mustergültiges Regiment erachtet wurde, um sinngemäß auch die Lenkung des Staatsapparates je nach Erfordernis zu adjustieren bzw. kybernetisch zu regulieren. Und umgekehrt stand die Marine im Dienste der staatlichen Regierung und folgte ihren hegemonialen Bestrebungen, die nicht auf das territorial begrenzte Staatsgebiet beschränkt blieben. Es kann also vermutet werden, dass „zwischen neuzeitlichen Konzeptionen der Staatsführung und solchen der Schiffsführung“, wie Burkhardt Wolf schreibt, „tatsächlich eine gewisse Zirkularität“ (Wolf 2008, 447) bestanden hat und dass die Geschichte dieser ungleichen Vehikel der Sozialisation daher ebenso verwickelt ist wie das Verhältnis von Rechtsordnung und Ausnahmezustand, das sie jeweils reflektieren.
Das imposante Leitbild des Staatsschiffes, das geschickt durch das Meer namens Modernität kreuzt, indem es sich primär am angeblich vernünftigen Credo der Staatsräson als Horizont orientiert, ist ein Sprachbild, welches im Lichte der eigenen Entstehungsgeschichte wiederholt zu verdunkeln tendiert, wie Unmengen von Menschen erst zur „Räson“ gebracht werden mussten, um evtl. an Bord – zumeist unter Deck – Platz finden zu können. Es ist in diesem Sinne durchweg signifikant, dass für Foucault der Beginn der modernen Gouvernementalität mit dem Erscheinen eines irrwitzigen Bootes korrespondiert, der stultifera navis, einem Boot, das dem frühneuzeitlichen Staatschiff taktisch zur Seite gestellt war, zumal es eine entscheidende Funktion der Rationalisierung symbolisch erfüllte. So gibt er bereits im ersten Kapitel seiner Schrift Wahnsinn und Gesellschaft (1961) zu bedenken, dass es neben den »fabulösen oder satirischen Schiffen« (Foucault 1973, 25) der Literatur effektiv eine Reihe von historisch nachweisbaren Narrenschiffen gegeben hat, die um das 14. und 15. Jahrhundert wiederholt verwendet wurden, um unerwünschte „Irren“ von urbanen Zentren zu entfernen, indem man sie wie geistig Obdachlose unter Deck verlud und per Wasserstraßen woandershin verschiffte.5
Entgegen Foucaults Schweigen, was die kolonialen Dimensionen der modernen Gouvernementalität betrifft (siehe Stoler 1995, VII), kommt es darauf an anzuerkennen, dass speziell die Sklavenschiffe, welche für die Gründung von Plantokratien in der Karibik sowie im südlichen Teil Amerikas von enormer Bedeutung waren, nicht einfach „a powerful sailing machine“ (Rediker 2008, 44) waren, wie Rediker in seinem Buch The Slave Ship schreibt: Das Sklavenschiff „was also a factory and a prison, and in this combination lay its genius and its horror“ (Rediker 2008, 44). Paul Gilroy, der sich mit seiner Schrift The Black Atlantic (1993) dem „schwarzen“ Atlantik als Inbegriff einer „Counterculture of Modernity“ (Gilroy 1993, 1–40) zuwendet, argumentiert ebenfalls, dass insbesondere das Sklavenschiff als „a living, micro-cultural, micro-political system in motion“ (Gilroy 1993, 4) an bedeutsame Passagen bei der Durchsetzung moderner Gewaltverhältnisse erinnert und dass es infolgedessen eine einseitige Geschichtsschreibung wäre, sich bloß an die kapitalen Schiffe zu erinnern. Im Fall der Sklavenschiffe handelt es sich um jene „mittlere Passage“ (middle passage), die von europäischen via afrikanischen zu amerikanischen Hafenanlagen und wieder retour führte und für die versklavten Menschen das Gegenstück zum „dream of revolutionary transformation“ (Gilroy 1993, 197) bildete. Für all jene, die gewaltsam deportiert und disloziert wurden, erwiesen sich die transatlantischen Fahrten mit dem Sklavenschiff als eine „catastrophic rupture“ (Gilroy 1993, 197) ihrer bisherigen Welten, notiert Gilroy.
Selbst wenn die metaphorische Phrase „Das Boot ist voll!“6 nicht mehr so geläufig ist wie noch während der 1980er und -90er Jahre, als von bedrohlichen „Asylantenfluten“ in primär deutschsprachigen Medien die Rede war, gegen die sich europäische Nationen „insulieren“, sprich: (tellurisch) abgrenzen und entgegensetzen sollten, so sind auch heute wieder jede Menge maritimer „Naturalisierungsmetaphern“ (Kuster 2007, 188) gebräuchlich, welche bevorzugt verwendet werden, um rechtliche Ansprüche von Menschen zu delegitimieren, die als „un-zugehörig“ oder als „undokumentiert“, sprich: als schiffbrüchige „Fremde“ oder gar als umherirrende „Illegale“ geschmäht werden. Die geschichtsmächtige Idee einer elementaren Differenz von Land und Meer, von der Schmitt fabulierte, hat sich inmitten rechtlich schwammiger Grenzverhältnisse zwar als mythisches Gespinst erwiesen, als idea fixa begeistert sie jedoch umso mehr und geistert unentwegt durch die „Luft-Festungen“, welche von identitären und nativistischen Bewegungen im Namen einer Renaissance staatlicher Souveränität entworfen werden, indem zugleich das völkisch-rassistische Narrativ eines Großen Austausches entwickelt wird. Und zugleich wird vergessen bzw. verdrängt, wie gegenwärtige Schiffsrouten mit vergangenen zusammenhängen und wie sich Geschichten der De-Platzierung historisch überlagern.
Die neuerliche Rede von so genannten boat people, sei es im Kontext des notorisch brutalen Grenzregimes Australiens namens Pazifische Lösung (pacific solution) oder vor dem Kap Europa (Derrida 1992), ist insofern bezeichnend, als die generischen Sprach-Bilder (Heller/Pezzani 2017) von überbordenden „Schlauchbooten“ latent wieder ein Heer von historischen Schiffsmetaphern in Bewegung setzen, unter sich ändernden Bedingungen re-aktivieren.7 Wird dabei bedacht, dass sich der Globale Norden laut Christian Parenti zunehmend einer Politik des bewaffneten Rettungsbootes (politics of the armed lifeboat; Parenti 2011, 11; siehe dazu auch Ghosh 2017) bedient und Grenzzonen militarisiert, dann stellt sich jedenfalls wieder die Frage stellt, welche Haltungen denn heute geboten wären, um nicht einfach die Idee eines distanzierten Zuschauens zu wiederholen oder aber jene einer humanitären Zuwendung, die nicht minder problematisch ist. Diese Frage lässt sich unserer Meinung jedenfalls nur dann sinnvoll diskutieren und eventuell beantworten, wenn die politische Relevanz von Metaphern, d.h. ihre Politizität anerkannt und im Sinne einer politischen Metaphorologie erforscht wird.
Worin aber besteht die politische Dimension von Metaphern überhaupt? Diese Frage lässt – wenig überraschend – keine pauschale Antwort zu. Es kommt ganz darauf an, wie die Metapher bestimmt respektive welche Rolle ihr zugeschrieben wird. Diesbezüglich besteht in der Philosophie alles andere als Einigkeit. Vielmehr gibt es eine kaum mehr zu überblickende Vielfalt an Theoretisierungen der Metapher,8 was unweigerlich dazu führt, dass auch der Befund, wie es um ihre Politizität bestellt ist, höchst unterschiedlich ausfällt. Es kann im Rahmen dieser Einleitung nicht darum gehen, eine Auflistung der verschiedenen Positionen zu versuchen. Auch ein ganzes Buch vermöchte dies vermutlich nicht auf zufriedenstellende Art und Weise zu leisten. Stattdessen wollen wir exemplarisch drei Perspektiven auf die politische Bedeutung von Metaphern skizzieren, um dergestalt zumindest orientierende Schlaglichter auf die Diskussionslandschaft zu werfen. Das mag mitunter auch dabei helfen, die nachfolgenden Aufsätze dieser Schwerpunktausgabe zu verorten.
Die erste Perspektive auf die Politizität von Metaphern ist in Reinform kaum anzutreffen. Insofern ihre grundlegende Stoßrichtung allerdings zahlreiche Zugänge – in unterschiedlichem Ausmaß – informiert, verdient sie als Idealtypus dennoch Berücksichtigung. Ihr Ausgangspunkt ist die Annahme eines oppositionellen Verhältnisses von Begriff und Metapher im Sinne eines Konflikts zwischen konzeptueller Eigentlichkeit und figurativer Uneigentlichkeit. Dahinter steht, wie Blumenberg in Paradigmen zu einer Metaphorologie (2013) expliziert, die Descartes’sche Wunschvorstellung einer „Vollendung der Terminologie, die die Präsenz und Präzision der Gegebenheit in definierten Begriffen auffängt“ (Blumenberg 2013, 11). Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet erscheint die metaphorische Rede im besten Fall als „vorläufig und logisch überholbar“ (Blumenberg 2013, 11), im schlechtesten Fall als verzerrend oder gar entstellend. Wer Metaphern bemüht, so der implizite Vorwurf, greift – wissentlich oder nicht – manipulierend in die sprachliche Erfassung der Wirklichkeit ein, was sich wiederum auf die Art und Weise ihrer politischen Gestaltung auszuwirken vermag. Mit anderen Worten: Gerade weil sie ein epistemologisch defizientes Stilmittel ist – ein trügerisches Ornament, das besser weggelassen werden sollte –, zeitigt die Metapher bisweilen bedenkliche politische Effekte.
Nun sind an der strikten Trennung von eigentlichem Begriff und uneigentlicher Metapher freilich zahlreiche Zweifel angemeldet worden. Sie reichen von Nietzsches These, dass der Begriff nichts weiter als das „Residuum einer Metapher“ (Nietzsche 1988, 882) ist und Sprache selbst sich letztlich einem metaphorischen Prozess verdankt,9 bis hin zu Jacques Derridas Aufweis der Unmöglichkeit, Begrifflichkeit und Metaphorizität klar zu unterscheiden respektive die eine auf die andere zu reduzieren, wodurch das Projekt einer Metaphorologie dem kontinuierlichen Nachdenken über das „aporetische Verhältnis von Begriff und Metapher“ (Seitz/Posselt 2017, 437) weichen muss (vgl. Derrida 1999).
Die zweite Perspektive auf die Politizität von Metaphern kann anhand von Blumenbergs Position illustriert werden, die irgendwo zwischen den beiden zuvor genannten Zugängen liegt. Er verkompliziert die Relation von Begriff und Metapher durch die Idee „absoluter Metaphern“, die als „Grundbestände der philosophischen Sprache […] sich nicht ins Eigentliche, in die Logizität zurückholen lassen“ (Blumenberg 2013, 14), also „nicht in Begrifflichkeit aufgelöst werden können“ (Blumenberg 2013, 16). Damit wird dem Primat des Begriffs eine entschiedene Absage erteilt. Es gibt kein Auskommen ohne Metaphern. Und das heißt für Blumenberg auch, dass sie nicht einfach einem voluntaristischen Zugriff unterliegen, sondern gleichsam „im Rücken“ (Blumenberg 2013, 91) unserer Auffassung von Welt und Selbst stehen und so „bestimm[en], was überhaupt sich uns zu zeigen vermag und was wir in Erfahrung bringen können“ (Blumenberg 2013, 92). Die Unabkömmlichkeit von Metaphern darf gleichwohl nicht im Sinne einer Invarianz gedeutet werden. „Auch absolute Metaphern“, erklärt Blumenberg, „haben […] Geschichte“ (Blumenberg 2013, 16) und können daher verändert oder gar ersetzt werden. Kurzum: Sie sind kontingent.10 Diese Kontingenz tut allerdings ihrer Wirkmächtigkeit keinerlei Abbruch. Dadurch, dass Metaphern unser Welt- und Selbstverhältnis strukturieren, sind sie nolens volens auch von praktischer Relevanz. Sie leiten zu gewissen „Haltungen, Erwartungen, Tätigkeiten und Untätigkeiten, Sehnsüchte[n] und Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten“ (Blumenberg 2013, 29) an. Damit sind wir bei der Politizität von Metaphern angelangt: Vermöge ihrer Strukturierung von Wirklichkeit präfigurieren Metaphern auch den Möglichkeitsraum von Politik, wobei die Pointe darin besteht, dass die kritische Reflexion dieses Umstands – sofern sie möglich ist – nicht mehr leisten kann als eine metaphorische Verschiebung, die ihrerseits lediglich eine andere Präfigurierung bedeutet, niemals aber eine neutrale Darstellung. Denn darauf läuft ja Blumenbergs Rede von absoluten Metaphern hinaus: dass die Fahrt in den sicheren Hafen eindeutiger Begrifflichkeit nicht offensteht.
Die dritte Perspektive auf die Politizität von Metaphern, die wir erwähnen wollen, kann am Werk von Ernesto Laclau veranschaulicht werden. Sie läuft auf die These hinaus, dass das politische Geschehen entsprechend der Logik rhetorischer Figuren funktioniert. Umgekehrt heißt das, wie Laclau und Chantal Mouffe in Hegemonie und radikale Demokratie: Zur Dekonstruktion des Marxismus (2020) notieren, dass „Synonymie, Metonymie und Metapher […] keine Gedankenformen [sind], die einer ursprünglichen, konstitutiven Buchstäblichkeit sozialer Verhältnisse einen zweiten Sinn hinzufügen“ (Laclau/Mouffe 2020, 144), sondern „Teil des ursprünglichen Terrains [selbst], auf dem das Soziale konstituiert wird“ (Laclau/Mouffe 2020, 145).11 Es würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen, diese Position in all ihren Implikationen zu erörtern. Wir begnügen uns im Sinne unserer Schwerpunktsetzung mit dem Hinweis, dass für Laclau die Logik der Metapher immer dann zum Tragen kommt, wenn man es mit einem „in zwei antagonistische Lager gespaltenen sozialen Raum[]“ (Laclau/Mouffe 2020, 144) zu tun hat. Denn das Vorhandensein einer antagonistischen Grenze bedeutet, dass alle Elemente der einen Seite, obwohl sie verschieden sind, zugleich in einer Beziehung der Äquivalenz mit Bezug auf das stehen, was jenseits der Grenze liegt, und somit analogisiert werden. Diese Analogisierung aber ist nichts anderes als eine „metaphorische Transposition“ (Laclau/Mouffe 2020, 144).
Die in dieser Schwerpunktausgabe versammelten Beiträge befassen sich auf jeweils eigenständige Art und Weise mit der Politizität von Metaphern, wobei neben der Analyse einer Reihe von historischen metaphorischen Konstellationen mitunter auch die eigene wissenschaftliche und schriftstellerische Praxis der Begriffsbildung und Metaphernverwendung reflektiert wird. So untersucht Nicola Zambon die Übertragung epidemiologischer Wissenschaftlichkeit auf einen sich im 19. Jahrhundert formierenden Diskurs der Massenpsychologie. Zambon argumentiert, die metaphorische Verwendung von Nachahmung und Ansteckung suggeriere nicht nur die Ähnlichkeit einer mit der Kraft von Naturkatastrophen wirkenden Pathologie ansteckender Krankheiten mit der Regression urbaner Menschenmengen, sie gerinne zu einer die Moderne stabilisierenden Leitmetapher, wobei die physiologische Kontaminierung nicht nur moralisch gewendet, sondern auch auf die Sprache selbst übertragen werde. Auch Metaphern seien mental ansteckend, wobei die Mutation der Ansteckungsmetaphorik es ihr erlaube, auch im 21. Jahrhundert erneut auszubrechen.
Andreas Hetzel plädiert in seiner Kritik des methodischen Anthropozentrismus dafür, die Grenze zwischen Lebendem und Unbelebtem politisch neu verhandelbar zu machen. Die physiozentrische Übertragung moralischer Eigenschaften von Menschen auf die Natur müsse dafür nicht nur metaphorisch, sondern als naturpolitische Erweiterung der Gemeinschaft moralisch zu berücksichtigender Wesen verstanden werden. Die metaphorische Beseelung der Natur habe politisches Potenzial, insofern sie der Natur ein Antlitz verleihe und die epistemologischen Konsequenzen der anthropozentrischen Verdinglichung der Natur infrage stelle. Physiozentrische Metaphern könnten Ähnlichkeiten sichtbar machen und der Entmoralisierung von Mensch-Natur-Verhältnissen entgegenwirken.
Ann Cotten spricht sich in ihrem Beitrag „Metapher als Sicherung“ für die Elastizität und damit die Verhandelbarkeit metaphorischer Strukturierungen und Hierarchisierungen aus. Dabei machen die abwechselnd verkürzenden und verlängernden Bewegungen der Metapher ihre viskoelastische Trägheit aus, wodurch die Metapher zu einem trügerischen Orientierungspunkt wird. Ihre Steuerleistung integriert laut Cotten Dynamiken, die erst durch ein breit gefasstes Geschichtsbewusstsein richtig eingeschätzt werden. Um den operativen Erfolg der Metapher richtig zu verstehen, müssten die gezielten oder zufälligen Ungenauigkeiten, die sie als „Unwuchten“ in ihrer zirkulären Wirkung beschreibt, mit einkalkuliert werden. Allerdings spielt die selektive Verhärtung nach Cotten eine wirkungsgeschichtliche Rolle, wenn auch Beweglichkeit an sich weder verlässlich gut noch eindeutig böse ist. Metapher als Begriff besser zu verstehen sei Vorarbeit zu ihrer produktiven Zweckentfremdung.
Gerald Posselt untersucht in seinem Beitrag die Frage, inwieweit Roman Jakobsons sprachphilosophische Überlegungen zur Polarität von Metapher und Metonymie für die Analyse politischer Phänomene herangezogen werden können. Dabei ist entscheidend, dass Jakobson seine Thesen im Rahmen seiner Beschäftigung mit aphasischen Störungen entwickelt, wobei er eine Similaritätsstörung von einer Kontiguitätsstörung unterscheidet. Diese nimmt negativen Einfluss auf die Bildung metonymischer Beziehungen, jene auf die Bildung metaphorischer Beziehungen. Davon ausgehend diagnostiziert Posselt anhand exemplarischer Beispiele, dass mitunter auch die politische Philosophie respektive die Theoriebildung allgemein an einer Kontiguitätsstörung krankt. Sein Aufsatz endet mit dem Appell, die metonymische Seite der Polarität von Metapher und Metonymie stärker zu berücksichtigen und in die Theoriearbeit zu integrieren.
Auch Zaida Olvera nähert sich der politischen Metaphorologie über eine Erweiterung. Indem sie auf Blumenbergs Interpretation der Gemeinsamkeiten von Metapher und Mythos als Überlebenstechniken hinweist, zeigt Olvera inwiefern beide eine humanisierende Funktion haben. Metapher und Mythos würden die Ränder der Lebenswelt rationalisieren und Geschichte mit Vorgeschichte sowie Imagination und Wirklichkeit verbinden. Für Olvera eröffnet gerade diese anthropologische Perspektive der metaphorischen Integration des Eigenen mit dem Anderen einen Horizont, um eine politische Metaphorologie der Gegenwart zu betreiben.
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Dieser Beitrag wurde im Rahmen des vom FWF geförderten Projekts Membership Metaphors as „Doorkeepers“. Metaphorical Language in Philosophical Discourses on Migration and Refuge (P 33780) verfasst.↩︎
Vilém Flusser kommt zu verwandten Schlüssen, wenn er schreibt, dass sich alles irdische Leben an primordialen „Urstrände[n]“ zu entwickeln begonnen habe, bis es sich „,entschloß‘, vom Strand einerseits aufs Festland, andererseits in Meerestiefen vorzustoßen“ (Flusser 2018, 9). Dieser zwiespältige „Entschluss“ bedeutet allerdings nicht, so Flusser, dass sich zwei so verschiedene Organismen wie der Mensch einerseits und der Vampirtintenfisch (Vampyroteuthis infernalis, so das gleichnamige Buch von Flusser) andererseits völlig fremd gegenüberstehen – sie bleiben (phylogenetisch) miteinander verwandt. Oder, um nochmals Flusser zu zitieren: „Wir beherbergen beide das gleiche tiefgründige Gedächtnis, und wir können daher einen Teil unseres Selbst in ihm wiedererkennen.“ (Flusser 2018, 9)↩︎
So konstatiert beispielsweise Karl Jaspers zu Beginn seines Selbstportraits – als philosophisches Zeugnis für ein modernes Selbstverständnis: „Das Meer ist Gleichnis von Freiheit und Transzendenz. Es ist wie eine leibhaftige Offenbarung aus dem Grund der Dinge. Das Philosophieren wird ergriffen von der Forderung, es aushalten zu können, daß nirgends der feste Boden ist, aber gerade dadurch der Grund der Dinge spricht. Das Meer stellt diese Forderung. Dort ist keinerlei Fesselung. Das ist das unheimlich Einzige des Meeres.“ (Jaspers 1967, 16)↩︎
Dieser historischen Tendenz entsprechend werden Schiffe also schon seit geraumer Zeit – und nicht erst infolge gegenwärtig zirkulierender Medienbilder von transkontinentalen Überfahrten und Untergängen – als „frivoles, wenn nicht blasphemisches“ (Blumenberg 1979, 13) Vehikel der Transgression beschrieben. So auch von Hegel: „Denn die Tapferkeit gegen das Meer muss zugleich List seyn, da sie es mit dem Listigen, dem unsichersten und lügenhaftesten Element, zu thun hat. [...] Solcher Täuschung und Gewalt setzt der Mensch lediglich ein Stück Holz entgegen, verläßt sich bloß auf seinen Muth und seine Geistesgegenwart, und geht so vom Festen auf ein Haltungsloses über, seinen gemachten Boden selbst mit sich führend.“ (Hegel 1989, 119)↩︎
Das Verhältnis von Verirrung und Umherirren wird u.a. von Donatella di Cesare in ihrem Buch Philosophie der Migration erörtert, wobei sie argumentiert, dass die Figur des „Schiffers“, so wie sie liest, programmatisch gegen das Irre/n gerichtet ist (siehe di Cesare 2021, 197)↩︎
Diese metaphorisch geladene Formel wurde am 13. August 1942 vom schweizerischen Justizminister Eduard von Steiger geprägt, als er während einer Rede vor einer jüdischen Organisation signalisierte, dass die Schweiz kein kapitales Staatsschiff, sondern bloß ein „kleines Rettungsboot“ und dementsprechend auch nicht in der Lage sei, mehr als eine Handvoll von jüdischen Personen Schutz zu bieten, welche dem nationalsozialistischen Terror zu entkommen versuchten.↩︎
Ohne Blumenberg selbst beim Namen zu nennen, hat sich einige Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von Schiffbruch mit Zuschauer auch Sloterdijk dem geschichtsphilosophischen „Leitbild der Schiffahrts-Metaphorik“ (Sloterdijk 1995, 13) zugewandt. Er tat dies, indem er in seinem Essay Im selben Boot, das um 1993, also wenige Jahre nach der „Wende“ inmitten eines globalgeschichtlich wiederum turbulenten Geschehens verfasst wurde, „eine Art Drei-Stadien-Theorie der Gattungsgeschichte“ (Sloterdijk 1995, 13) anhand von epochalen Bootskategorien entwirft. Sloterdijks Büchlein knüpft insofern an das kapitale Motiv der navem pro re publica unter dem Vorzeichen einer momentan grassierenden „Hyperpolitik“, wie er die gegenwärtigen Verhältnisse typisiert, an, als er argumentiert, dass „wir“, historisch betrachtet, zwischen Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung sozusagen mehrmals das Transportmittel gewechselt haben und nun in einem ganz anderen „Boot“ zusammensitzen (müssen) als noch vor einigen Generationen.↩︎
Für einen exzellenten Einblick in die vielgestaltige Theoriebildung rund um die Metapher vgl. Seitz/Posselt 2017.↩︎
In „Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne“ (1988) veranschaulicht Nietzsche dies folgendermaßen: „Das ,Ding an sich‘ […] ist auch dem Sprachbildner ganz unfasslich und ganz und gar nicht erstrebenswerth. Er bezeichnet nur die Relationen der Dinge zu den Menschen und nimmt zu deren Ausdrucke die kühnsten Metaphern zu Hülfe. Ein Nervenreiz zuerst übertragen in ein Bild! erste Metapher. Das Bild wieder nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher. Und jedesmal vollständiges Ueberspringen der Sphäre, mitten hinein in eine ganz andere und neue.“ (Nietzsche 1988, 879) Vgl. hierzu im Speziellen sowie zum Sprachdenken Nietzsches im Allgemeinen Posselt 2010 und Posselt/Flatscher 2016, 82–103.↩︎
Dieser Gedanke findet sich auch bei Nietzsche, wenn er festhält, dass „das Hart- und Starr-Werden einer Metapher […] durchaus nichts für die Nothwendigkeit und ausschliessliche Berechtigung dieser Metapher [verbürgt]“ (Nietzsche 1988, 884).↩︎
Das bedeutet gleichwohl nicht, Tropen zu transzendentalen Operatoren zu machen, wie Laclau andernorts klarstellt: „We should basically avoid two temptations. The first is to make of rhetorical categories the locus of a hard transcendentality – that is, of a level in which all pertinent theoretical directions would be formulated, and which would reduce the terrains of their ,application‘ to the empiricity of ,case studies‘. But we should also avoid the other extreme, consisting of seeing the two levels as fully enclosed universes whose mutual relations could only be conceived in terms of purely external homologies. The question of the comparison itself between regions and levels should be conceived in tropological terms: no level has a transcendental priority over the other, so that their very interaction should be seen as an area of displacements blurring the frontiers between the empirical and the transcendental. Each should theoretically enrich the understanding of the other in an intertextuality that has no ultimate anchoring point.“ (Laclau 2014, 67) Für eine Analyse der Rolle von Tropen in Laclaus Denken vgl. Hetzel 2007.↩︎