KATHARINA NAUMANN, FREIE UNIVERSITÄT BERLIN &
LARISSA WALLNER, GOETHE-UNIVERSITÄT FRANKFURT A. M.
Zusammenfassung: Der Themenschwerpunkt widmet sich dem noch nicht zureichend ergründeten Zusammenhang von Exemplarität und Einbildungskraft im Kontext von menschlichem Handeln und Urteilen. Ziel des Schwerpunkts ist es, diesen Aspekt innerhalb der praktischen Philosophie in den Blick zu nehmen und bestehende Debatten zu vertiefen. Dabei werden unterschiedliche Perspektiven auf das Wechselspiel zwischen Beispielen, dem Exemplarischen und der Fähigkeit zur Imagination untersucht. Die Beiträge zeigen sowohl das theoretische Potenzial als auch die Herausforderungen im Umgang mit Beispielen auf – sei es in der philosophischen Reflexion oder in alltäglichen Zusammenhängen. Die Spannweite der praktischen Bezüge reicht von der Bedeutung persönlicher Vorbilder über die Rolle von Literatur und sozialen Medien bis hin zu Fragen des technologischen und ökologischen Wandels. Obwohl die Beiträge hierfür unterschiedliche theoretische und methodische Zugänge wählen, eint sie das Interesse an der Beantwortung der Fragen, welche Beispiele vor dem Hintergrund bestimmter sozialer und historischer Kontexte überhaupt als exemplarisch gelten können und inwiefern unsere Einbildungskraft dabei einschränkend oder ermöglichend wirkt.
Schlagwörter: Exemplarität, Einbildungskraft, Urteilskraft, Vorbilder, Beispiele
Abstract: The special issue deals with the connection between exemplarity and imagination in the context of human action and judgment, which has received little scholarly attention so far. The aim is to shed light on this aspect within practical philosophy and thereby to deepen existing debates. The contributions highlight both the theoretical potential and the challenges involved in dealing with examples – within philosophical reflection as well as in everyday contexts. The practical references range from the importance of personal role models to the role of literature and social media to questions of technological and ecological transformation. Although the contributions take different theoretical and methodological approaches, what they all have in common is an interest in which examples can be considered exemplary against the backdrop of specific social and historical contexts and to what extent our imagination has a limiting or enabling effect in this regard.
Keywords: Exemplarity, Imagination, Power of Judgement, Role Models, Examples
In der Philosophie haben wir es bekanntlich mit großen Begriffen wie dem der Wahrheit, der Gerechtigkeit oder auch der Freiheit zu tun. Eine Strategie um zu verhindern, dass diese Begriffe im Gebrauch leere Abstraktionen bleiben oder zu solchen verkommen, sondern stattdessen ihren konkreten Gehalt offenbaren und handlungswirksam werden können, liegt darin, sie uns anhand von Metaphern und Modellen, aber auch von Beispielen und Exempeln vorzustellen und derart sinnlich erfahrbar zu machen. Eine solche konkrete Versinnlichung abstrakter Begriffe leistet Lea Ypi mit ihrem autobiografischen Roman Free. Coming of Age at the End of History, in dem sie ihre Kindheit im sozialistischen Albanien beschreibt. Sie fängt dabei alltägliche Momente des Glücks und der Geborgenheit ein (Ypi 2022, 72), die etwas mit den persönlichen Lebensbedingungen und den Beziehungen zwischen den Menschen zu tun haben. Darüber hinaus veranschaulicht Ypi auch einen kritischen Begriff von Freiheit jenseits von bloßer Wahlfreiheit, von der sie zunächst ausgeht:
Über Freiheit hatte ich nie viel nachgedacht. Warum auch, wir hatten jede Menge Freiheiten. Ich fühlte mich so frei, dass mir diese Freiheit manchmal wie eine Bürde erschien und gelegentlich, an Tagen wie diesem, sogar wie eine Bedrohung. [...] Nur wenige Stunden zuvor hatte ich vor dem Schultor im Regen gestanden und mich gefragt, auf welchem Weg ich nach Hause gehen sollte: linksherum, rechtsherum oder geradeaus. Es stand mir frei, mich zu entscheiden. Jede Route warf andere Fragen auf, es galt, Gründe und Konsequenzen abzuwägen, die möglichen Folgen zu bedenken und eine Entscheidung zu treffen, von der ich wusste, dass ich sie am Ende vielleicht bereuen würde. (ibid., 14–15)
Dass Freiheit jedoch viel mehr bedeutet als die hier explizit angesprochene Möglichkeit, sich zwischen mehreren Optionen entscheiden zu können, nämlich Freiheit von Angst und Herrschaft, deutet sich schon darin an, dass jeder der drei Wege in einer Diktatur in problematische Situationen führen kann. Die Freiheit zu bestimmten Optionen und insbesondere die Freiheit, wahrhaftig zu sprechen, ist unter den, in der Sozialistischen Volksrepublik Albanien vorherrschenden, politischen Bedingungen eingeschränkt und hat Auswirkungen auf alltägliche Entscheidungen und vertraute zwischenmenschliche Beziehungen, die sich mitunter als höchst fragil erweisen. Dies illustriert Ypi unter anderem daran, dass trotz der Freundschaft, die ihre Familie mit jener der Nachbarn verbindet, das unbedachte Wort eines Kindes genügt, um eine ausgelassene Situation in eine existenziell bedrohliche Situation zu verwandeln:
Eigentlich sollte dort ein Foto von Onkel Enver1 stehen, sagte ich fröhlich in den Lärm hinein, aber sie wollen mit Onkel Enver einfach nichts zu tun haben [...]. Sofort kippte die Stimmung im Wohnzimmer. Alle erstarrten. Meine Mutter, die eben noch mit Donika gelacht und beteuert hatte, wie sehr sie Donikas Baklava vermisste, verstummte und sah die Nachbarin aufmerksam an, als wollte sie ihre Gedanken erraten. (ibid., 78)
Ypi kontrastiert demnach reine Wahlfreiheit – das bloße Nebeneinander bedeutungsloser Optionen – mit echter materieller Freiheit, die sich in Sicherheit, Teilhabe und der Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens als Handlungswirksamkeit entfaltet. Indem sie die Voraussetzungen echter Freiheit ex negativo vor Augen führt, nämlich angesichts der sich real ergebenden Fragen, Gründe und Konsequenzen, zeigt sie also auf literarischem Weg, was Freiheit bedeutet.2
Literarische Mittel wie Narrative, Metaphern und Tropen einzusetzen und damit nicht allein auf propositionale Vorstellungen, sondern auch auf sinnliche Ressourcen zuzugreifen, ist jedoch keineswegs ein Spezifikum literarischer Texte; der methodisch motivierte Einsatz von Metaphern, Beispielen und Exempeln lässt sich auch als ein verbreitetes Mittel innerhalb der Philosophie ausmachen, das über die bloße Illustration abstrakter Begriffe und Argumente hinausgeht (für eine eingehende Auseinandersetzung mit der Rolle von Beispielen innerhalb der Philosophie siehe etwa Beran 2021; Mácha 2023; Schaub 2010). Im Bereich der praktischen Philosophie denke man hier etwa an die wirkmächtige Metapher des Naturzustands und seine reichhaltigen Beschreibungen innerhalb der klassischen Theorien des Gesellschaftsvertrags von Hobbes, Locke und Rousseau. Im selben Atemzug lässt sich der rege Gebrauch von bisweilen recht abstrusen Gedankenexperimenten zur Stützung oder Zurückweisung mittlerer Prinzipien innerhalb der Moral nennen, die nicht selten als bloße Veranschaulichungen oder gar Intuitionenpumpen verschrien sind (zu Gedankenexperimenten innerhalb der praktischen Philosophie siehe Paulo 2021). In beiden Fällen zeichnen sich die Narrative in der Regel erstens dadurch aus, dass man etwas kontrafaktisch imaginieren soll, und zweitens dadurch, dass dies an bestimmten Stellen eines Textes vermeintlich bloß zur gezielten Plausibilisierung einer These oder Theorie eingesetzt wird.
Demgegenüber lässt sich aber auch eine Form des Philosophierens ausmachen, die ihrem Selbstverständnis nach als narrativ zu charakterisieren ist. Bekanntlich wird mindestens seit der Antike darüber gestritten, inwiefern Narration eine valide Methode der Philosophie ist und ob Wissen, für das der Anspruch objektiver Geltung erhoben wird, in Abstraktion der konkreten lebensweltlichen Bedeutung formulierbar sein muss oder, im Gegenteil, nicht ohne diese Bezüge auskommen kann (siehe etwa Eichler 2007; Thomä 2019). Wenn man der letzten Position folgt, dann stellen Erzählungen ein epistemisches Instrument dar, das Zugänge zu relevanten Phänomenen eröffnet, insofern diese als narrativ vermittelt gelten (siehe etwa Haker 1999; Mieth 1976; Ricoeur 1996). In diesem Zusammenhang fungieren Erzählungen nicht nur als Ausdrucksform subjektiver Perspektiven, sondern auch als Medium der Reflexion, das über die Einbildungskraft das Denken zu erweitern vermag. Folgt man Axel Honneth, so trifft dies etwa auf Hannah Arendts, aber auch Judith Shklars Methode zu – man denke nur an Arendts Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft oder Shklars Über Ungerechtigkeit. Honneth betont, dass in der Form dieser Texte weitaus mehr liegt als der Ausdruck eines Strebens nach stilistischer Eigenständigkeit oder disziplinärer Unabhängigkeit. Vielmehr sei „in ihrem theoretischen Stil doch vor allem die Manifestation einer von beiden geteilten Auffassung des Politischen und damit der Aufgabe einer politischen Philosophie zu sehen“ (Honneth 2020, 9). Denn, so fährt Honneth fort:
Die Vorstellung, zu normativen Aussagen über die Erfordernisse politischen Handelns durch Anleitung aus obersten Prinzipien zu gelangen, war ihnen gleichermaßen fremd; stattdessen sollte von unten her, aus der behutsamen Verallgemeinerung von exemplarischen Einzelfällen und typischen Begebenheiten, ein Weg zur Bestimmung gebahnt werden, die sich dann als tragfähige Basis einer normativen Theorie erweisen konnte. (Honneth 2020, 9–10)
Das wirft freilich die Frage auf, was es mit „exemplarischen Einzelfällen“ auf sich hat und ob es sich bei ihnen um eine bestimmte Form der Konkretion handelt. Wie bei jeder Form der Konkretion hat man es auch hier mit einer Vermittlung zwischen Besonderem und Allgemeinen zu tun. Diese Vermittlung kann indes in beide Richtungen laufen: Während das Beispiel einerseits eine rein illustrative Funktion haben kann, die der Veranschaulichung eines Allgemeinen dient (illustratives Beispiel), kann es andererseits auch eine exemplarische Funktion haben, insofern es Allgemeines zum Ausdruck bringt, das sich (noch) nicht in einer Regel fassen lässt (Exempel).3 Im Gegensatz zum bloß illustrativen Beispiel, das auf einen willkürlich heraus gegriffenen Gegenstand Bezug nimmt, der unter eine Regel fällt, handelt es sich beim Exempel um ein herausragendes Beispiel, das nicht bloß eine deskriptive, sondern auch eine normative Dimension hat.
Arendt, deren Überlegungen ausgehend von Immanuel Kant wegweisend für das Nachdenken über das Exemplarische sind, vermittelt die Beziehung des Besonderen zum Allgemeinen im Exemplarischen in einer zentralen Passage in Das Urteilen folgendermaßen:
Man mag einen Tisch antreffen oder sich ausdenken, den man für den bestmöglichen erklärt, und man nimmt den Tisch als Beispiel dafür, wie Tische in Wirklichkeit sein sollen: der exemplarische Tisch. (Exemplarisch kommt von ‚eximere‘: etwas Besonderes herausgreifen.) Dieses Exemplar ist und bleibt etwas Besonderes, das gerade in seiner Besonderheit die Allgemeinheit, die sonst nicht definiert werden konnte, enthüllt. Mut ist wie Achilles usw. (Arendt 2021, 119)
Das Exemplarische ist demnach keine Abstraktion, sondern ein Konkretes, Partikulares, Einzelnes, das über sich selbst hinaus in einem seiner Aspekte auf eine allgemeine Regel verweist. Achilles kann ein illustratives Beispiel, aber auch ein Exempel für die aristotelische Kardinaltugend des Mutes beziehungsweise der Tapferkeit sein. Ob ein sprachlicher Verweis ein Exempel bemüht, muss hermeneutisch erschlossen werden und hängt nicht zuletzt vom gesellschaftlichen Kontext ab, in dem das Exemplarische Geltung erlangt.4 So wird etwa das, was Mut bedeutet, und wer als herausragendes Beispiel, ja als Exempel für das Mutigsein dient, immer wieder neu verhandelt: Dies zeigte sich jüngst eindrücklich an der öffentlichen Wahrnehmung von Gisèle Pelicots Entscheidung, den Strafprozess gegen ihren Ex-Ehemann und die 50 weiteren Angeklagten in Avignon öffentlich stattfinden zu lassen und in seinem Rahmen die Videos zu zeigen, die die sexualisiere Gewalt, die ihr angetan wurde, dokumentieren.5 Denn dadurch verlieh Pelicot dem Satz „Die Scham muss die Seiten wechseln“ Geltung.
An einem Präzedenzfall wie diesem, also einem Sachverhalt, den es so vorher noch nicht gegeben hat oder mit dem so bisher nie umgegangen wurde, zeigt sich die zukunftsweisende normative Kraft des Exemplarischen besonders deutlich. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Falles besteht darin, dass der Ex-Ehemann die Taten in Videoaufnahmen dokumentiert hatte und damit ungewollt, aber im Endeffekt effektiv, die Wirksamkeit von Vergewaltigungsmythen entkräftete. Solche Mythen behaupten üblicherweise eine Mitschuld oder ein stillschweigendes Einvernehmen des Opfers (Hänel 2018, 143). Zudem wird von Opfern sexualisierter Gewalt in der Regel erwartet, auf die an ihnen begangenen Verbrechen nicht mit Wut und Wehrhaftigkeit, sondern mit Scham zu reagieren – eine Reaktion, die effektiv zu Schweigen und Rückzug führt (Despentes 2018). Deshalb bleiben Täter häufig sowohl moralisch als auch juristisch unbehelligt oder werden lediglich in einem Maß zur Verantwortung gezogen, das ihren Taten nicht gerecht wird – ein Umstand, der zur Normalisierung ihres Handelns beiträgt und es ihnen erlaubt, dieses als sozial gerechtfertigt zu empfinden (Clemm 2024; Hänel 2018). Pelicots politisches Bewusstsein und ihr großer Mut ermöglichten dagegen eine Sichtbarmachung dieser üblichen geschlechtsbezogenen Verantwortungsökonomie und somit einen Ansatzpunkt für ihre Umkehrung.6 Sicherlich möchte niemand an Pelicots Stelle sein und die wenigsten Betroffenen wären realiter bereit, die Konsequenzen ihrer Entscheidung zu tragen – aber gerade deshalb wird ihr Handeln als exemplarisch betrachtet: Ihr Mut, sich nicht nur gegen das an ihr begangene Unrecht zu wehren, sondern dies öffentlich auf eine Weise zu tun, die einen neuen Maßstab im Umgang mit strukturellem Frauenhass setzte, der sexualisierte Gewalt gegenüber FLINTA*7 ermöglicht und befördert, machte sie umgehend zu einer internationalen feministischen Ikone (Garcia 2025). Und mehr noch, Pelicot erhielt im Juli 2025 den französischen Verdienstorden der Ehrenlegion, die höchste Auszeichnung Frankreichs.
Pelicot als Exempel für das Mutigsein institutionell zu würdigen, das seinerseits ganz anders konnotiert ist als das durch Achill verkörperte bellizistische und maskuline Ideal von Mut, verdeutlicht, dass das, was als exemplarisch gilt, stets Ergebnis gesellschaftlicher Anerkennungsdiskurse und sozial-historisch geprägter Aushandlungen ist. Daher manifestieren sich im Exemplarischen immer auch kollektive Konfigurationen: Was als exemplarisch gilt, lässt sich mithin als ein Muster verstehen, das nicht bloß Realitäten abbildet und ein Mittel für das bessere Verständnis abstrakter Begriffe, den Entwurf ganzer Theorien oder die Begründung von Prinzipien ist, sondern stets auch eine orientierende und wirklichkeitsgestaltende Kraft ausübt. Folgt man Mary Midgley, so spielen solche Muster eine nahezu unhintergehbare Rolle in unseren Erkenntnisprozessen und müssen daher stets kritisch reflektiert werden:
[...] the patterns underlying our thought are much more powerful, more intricate and more dangerous than we usually notice, [...] they need constant attention, and that no one of them is a safe universal guide. [...] to understand their power we need to grasp their strong hold on the imagination – their relation to myth. Myths are stories symbolizing profoundly important patterns, patterns that are very influential, but too large, too deep and too imperfectly known to be expressed literally. [...] All our thinking works through them [symbols, myths]. New ideas commonly occur to us first as images and are expressed first as metaphors. (Midgley 1992, 148)
Weil die Diskurse um den impliziten Gehalt und die kulturelle Genese des Exemplarischen nicht immer explizit geführt werden, läuft der unkritische Gebrauch des Exemplarischen Gefahr, bestehende Muster und Mythen zu reproduzieren und zu normalisieren. Auf der anderen Seite bildet der Einsatz des Exemplarischen gerade wegen seiner Abhängigkeit von Imagination eine emanzipatorische, demokratische Ressource und bietet daher Chancen, alternative Denkmodi, Akteur:innen und Verhaltensformen im Diskurs zu etablieren, wie Lois McNay betont:
When transferred to the political domain, exemplarity suggests a mode of reasoning across contexts that is potentially more inclusive than principle-based approaches to voices which, by virtue of their marginal or disempowered status, are often absent from democratic deliberation. By reconciling pluralism with universalism in this way, exemplary reasoning seems to expand and radicalize the normative scope of democratic theory. (McNay 2019, 129)
Nimmt man den Befund ernst, dass das Exemplarische eine Ambivalenz aufweist, so stellt sich die Frage, was daraus für unser Handeln und Urteilen folgt, etwa wenn wir uns Fragen folgender Art stellen: Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten stehen offen? Welche Bedeutung kommt verschiedenen Handlungen zu? Und welche sollte man ergreifen? Eben diese Fragen beantworten wir in der Regel nämlich nicht allein unter dem Rekurs auf Begriffe und Regeln. Vielmehr orientieren wir uns auch an vergleichbaren Beispielen, uns bekannten Handlungsmustern oder auch an vorbildlichen Akteur:innen. Ebenso wie wir uns vorstellen können, dass das Kind Lea Ypi sich nach dem oben geschilderten Erlebnis am Verhalten ihrer Mutter ein Beispiel genommen haben könnte und in Zukunft noch vorsichtiger agiert hätte, scheint prima facie für uns alle zu gelten, dass wir uns, wenn auch nicht immer bewusst und wenn auch nicht immer zum besseren, oftmals ein Beispiel an anderen nehmen. Denn damit wir erkennen können, worin unsere Möglichkeiten bestehen, was konkrete Handlungen überhaupt bedeuten und wie sie zu beurteilen sind, benötigen wir mitunter Beispiele, die uns affektiv und imaginär vor Augen führen, was für uns und andere auf dem Spiel steht und somit, worum es eigentlich geht.8 Entsprechend verweisen in unserem Alltag Redewendungen wie „ein Exempel statuieren“ oder auch „sich an jemandem ein Beispiel nehmen“ auf das Exemplarische.
Gerade hinsichtlich dieser Orientierungsfunktion besteht in jüngerer Zeit innerhalb der Ethik ein zunehmendes Interesse am Exempel (siehe etwa Archer und Denni 2023; Archer und Matheson 2021; Campodonico, Croce und Vaccarezza 2019; Croce 2020; Henderson 2024; Naumann 2020; Olberding 2011; Scheck und Rehm 2025; Vaccarezza und Croce 2018; Vaccarezza 2020; Zagzebski 2010, 2015 und 2017). Dabei wird unter anderem diskutiert, was gute Exempel ausmacht und wie sie sich identifizieren lassen; was und wie man von ihnen lernen kann und welche Bedeutung ihnen dementsprechend in der Charakterbildung und Erziehung zukommt; und schließlich, welche Gefahren von der Orientierung an (falschen) Vorbildern in Theorie und Praxis ausgehen. Demgegenüber haben die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um sich überhaupt ein Beispiel an jemandem nehmen zu können, bisher weit weniger Beachtung gefunden. Wie die vorhergehenden Überlegungen bereits nahelegen, braucht es dafür zunächst Urteilskraft, um etwas – einen Charakter, ein Verhalten, ein Muster – als exemplarisch zu erkennen sowie die Fähigkeit zur Abstraktion und Analogiebildung im Sinne der Übertragung eines Sachverhalts oder Verhaltens auf einen anderen Kontext. Vor allem aber benötigt man, um sich ein Beispiel zu nehmen, Einbildungskraft.
Die Termini der Einbildungskraft, der sinnlichen Vorstellungskraft und der Imagination bezeichnen die Fähigkeit der sinnlichen Repräsentation dessen, was nicht unmittelbar in der Wahrnehmung gegeben ist. Die Einbildungskraft spielt in fast allen Bereichen unserer geistigen Aktivitäten eine maßgebliche Rolle und gehört zu den gewichtigsten Vermögen menschlicher Akteur:innen im Kontext von Wissenserwerb, Entscheiden und Verstehen überhaupt (Werner 2024). Es erstaunt daher kaum, dass sich jüngst ein neuerliches systematisches Interesse am Thema Einbildungskraft erkennen lässt (siehe etwa Berninger und Vendrell Ferran 2023; Dorsch 2015; Gregorio et al. 2024; Kind und Badura 2021; Kind und Kung 2016; Langland-Hassan 2020; Levy und Kinberg 2023; Macpherson und Dorsch 2018; Matherne 2024; Miyazono und Tooming 2024; Myers 2023; Spaulding 2016). Im Zusammenhang von Exemplarität und Einbildungskraft ist vor allem die epistemische Kraft der Imagination, die im Erkennbar-Machen von Sachverhalten und Zusammenhängen, aber auch im erstmaligen Entwurf von Positionen, Konfigurationen und Narrativen liegt, zentral.9
Hinsichtlich der Reichweite und Radikalität der Einbildungskraft besteht ein historischer Dissens, der sich bis zu antiken Positionen zurückverfolgen lässt: Einige Autor:innen nehmen an, dass sinnliche Vorstellungen notwendig an das gebunden sind, was man tatsächlich erfahren und erlebt hat (reproduktive Imagination, ex nihilo nihil fit; siehe dazu in der Neuzeit etwa Gerard 1774 und Shaftesbury 1900). Die Gegenseite geht hingegen von einer radikalen, schöpferischen Freiheit der Einbildungskraft aus. So behauptet etwa Henry Home, Einbildungskraft sei eine „singular power of fabricating images without any foundation in reality“ (Home 1774, 518–519 und 524). Da es sich um eine metaphysische, transzendentalphilosophisch kaum je auflösbare Frage handelt, erscheint es pragmatisch betrachtet überzeugender, davon auszugehen, dass wir für alles, was wir gehaltvoll beschreiben können, Begriffe brauchen – die wiederum durch Sprachspiele geprägt sind – und dass das Set von Assoziationen, das uns am nächsten liegt und am häufigsten in den Sinn kommt, kulturell und sozial geprägt ist.10 Zugleich aber ist offenbar, dass gerade in der sinnlichen Vorstellungskraft ein transgressives Potenzial liegt, das darin besteht, dass sie es ermöglicht, sich neuen Begriffen in Prozessen zwischen Entdeckung und Konstruktion anzunähern. Die Auseinandersetzung mit Imagination als Ressource der Gestaltung politischer, aber auch ganz grundsätzlicher Lebenswirklichkeiten und Seinsweisen des Menschen findet sich in unterschiedlichen philosophischen Positionen der Gegenwart – so etwa wenn sie in der politischen Philosophie bisweilen als Ursprung transgressiver Begriffe und utopischer Entwürfe beschworen wird (siehe etwa Castoriadis 1990; Huber 2024).
Folgt man den vorhergehenden Überlegungen, so lässt sich das transformative Potenzial des Exemplarischen – ebenso wie seine Grenzen – zum Teil auf die Einbildungskraft zurückführen: Auch diese besitzt ein wirklichkeitsgestaltendes Potenzial, insofern die sprachlichen Assoziationen und Narrative, die durch den Gebrauch von bestimmten Begriffen, Symbolen, Metaphern und auch Exempeln evoziert werden, beeinflussen, was und wie wir etwas sehen (können) und wie wir es beurteilen. Das Ziel des vorliegenden Schwerpunktes besteht darin, diesen Nexus zwischen Exemplarität und Einbildungskraft näher zu untersuchen. Dabei liegt ein verbindendes Moment der fünf Beiträge, die im Folgenden näher vorgestellt werden, in der systematischen Reflexion der historischen und sozialen Situiertheit von Akteur:innen. Die Beiträge tragen diesem Zusammenhang auf unterschiedliche Weise Rechnung: Die ersten drei Beiträge thematisieren die gesellschaftliche Verortung von Akteur:innen und deren Relevanz im Rahmen normativer Theoriebildung (Sebastian A. Höpfl), im Hinblick auf die Wahl von Vorbildern (Johanna Sinn) und hinsichtlich der Produktion und Rezeption literarischer Werke (Katharina Naumann / Larissa Wallner). Zwei weitere Beiträge untersuchen spezifische Formen von Exemplarität, deren Relevanz auf bestimmte gesellschaftsprägende technische Neuerungen zurückzuführen ist, nämlich auf die Entwicklung der sozialen Medien (Katharina Zöpfl) und auf die Erfindung der Atombombe (Fabian Warislohner).
Sebastian A. Höpfl setzt sich in seinem Beitrag „Anspruchsvolle Beispiele für eine sozial-ökologische Verantwortungsethik“ mit der Rolle des Exemplarischen im Rahmen ethischer Theorien auseinander und schlägt eine Fokusverschiebung vor: Anstatt herausragende Einzelpersonen des Typus moralische Held:in oder Heilige:r als Vorbilder für moralisches Handeln ins Zentrum zu stellen, sollten wir den Blick auf dialogisch-interaktive Praktiken richten, die exemplarisch für den zwischenmenschlichen Anspruch stehen, Verantwortung für das gemeinsame Zusammenleben zu übernehmen. Den theoretischen Rahmen der Überlegungen bildet Hans Jonas‘ Verantwortungsethik, wobei unter Rekurs auf Hannah Arendt und Emmanuel Levinas eine dialogische Interpretation der von Jonas‘ als exemplarisches Beispiel für moralische Verantwortung herangezogenen Eltern-Kind-Beziehung vorschlagen wird. Ausgehend davon skizziert Höpfl das Projekt einer kritisch-intersektionalen Sammlung typischer Beispiele von Verantwortungspraktiken, die bei alltäglichen Situationen und relationalen Bedürfnissen ansetzen und somit konkrete Beispiele für verantwortliches Handeln im Alltag bieten. Abschließend wird dieser Ansatz an zwei aktuellen Beispielen illustriert, u.a. an dem oben bereits thematisierten Beispiel Gisèle Pelicots und des Gerichtsprozesses gegen ihren Ex-Mann.
Johanna Sinn wendet sich in ihrem Beitrag „Beispiele und soziale Zugehörigkeit. Wie intersubjektive Einbildungskraft die Wahl von Vorbildern einschränkt“ demgegenüber unmittelbar der Wirkung von moralisch vorbildhaften Beispielen im Alltag zu. Im Zentrum ihres Beitrags steht die Frage, auf welche Weise Vorbilder exemplarischen Status erlangen und welche Rolle der Einbildungskraft in diesem Prozess zukommt. Wenn man sich jemanden zum Vorbild macht, so die Ausgangsthese, bedarf es nicht nur der Einbildungskraft, um sich zu vergegenwärtigen, wie diese Person handeln würde, damit man sich an ihr orientieren kann. Vielmehr sei die Einbildungskraft bereits für die Auswahl von Vorbildern konstitutiv: Durch imaginative Perspektivwechsel macht man sich auch fremde Sichtweisen auf eine Person zugänglich, um zu erkennen, ob diese überhaupt als Vorbild in Betracht kommt. Diese intersubjektive Dimension der Einbildungskraft untersucht Sinn ausgehend von Hannah Arendts Urteilstheorie. Jemanden als Vorbild zu betrachten ist demnach das Ergebnis von Urteilen mit exemplarischer Gültigkeit, die stets im Kontext gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse stehen. Vor diesem Hintergrund diskutiert Sinn, wie sich soziale Situiertheit vermittels der intersubjektiven Einbildungskraft auf den Prozess der Vorbildwahl auswirkt. Sie zeigt, dass imaginative Standpunktwechsel dabei einerseits eine orientierende Funktion haben können, aber andererseits anfällig für Verzerrungen durch den Einfluss gesellschaftlicher Strukturen und dadurch bedingter Imaginationsgewohnheiten sind.
Katharina Naumann und Larissa Wallner beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Das Exemplarische der Literatur zwischen Ermächtigung und Unterwerfung“ ebenfalls mit einer solchen durch die Einbildungskraft vermittelten Ambivalenz des Exemplarischen – allerdings nicht bezogen auf das Exempel, das andere uns geben, sondern auf das, was durch Literatur exemplarisch vermittelt wird. Durch ihre sinnlich-affektive Fülle kann Literatur perspektivische, phänomenale, emotionale und ethische Erkenntnisse gerade dadurch zugänglich machen, dass sie diese nicht nur diskursiv vermittelt. Entsprechend entfaltet sie, so die Ausgangsthese, ein besonderes epistemisches und handlungswirksames Potenzial. Diese These wird zunächst ausgehend von Immanuel Kants Position zum ästhetischen Urteil und seinen Überlegungen zum ästhetischen, moralischen und anthropologischen Wert von Belletristik entwickelt. Sodann wird der Versuch unternommen, mit Kant über Kant hinaus der Reflexion der sozialen Kontextualisierung literarischer Rezeption und Produktion Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund wird gezeigt, dass Literatur dadurch, dass sie die Grenzen des Sichtbaren, des Vorstellbaren, des Verstehbaren und des Sagbaren verschieben kann, eine Reflexion über alternative Lebens- und Gesellschaftsentwürfe auszulösen vermag und daher einerseits ein emanzipatorisches Potential hat. Andererseits kann sie jedoch auch Vertrautes weiter normalisieren und damit zur Stabilisierung bestehender sozialer Verhältnisse und Unterdrückungsstrukturen beitragen.
In ihrem Beitrag „Selbstexemplarität in sozialen Medien: Ein Zugang zur digitalen Selbstpräsentation mit Hannah Arendt“ geht Katharina Zöpfl dem Phänomen der Selbstdarstellung in den sozialen Medien nach und fragt, inwiefern dies den Blick auf uns selbst ändert. Um dies zu untersuchen, entwickelt sie zunächst ausgehend von Hannah Arendt ein innovatives begriffliches Instrumentarium: Selbstexemplarität besteht und entfaltet sich nach Zöpfl in einem Wechselspiel zwischen sogenannten Selbstexemplaren – als Darstellungen der eigenen Person und Identität im Medium von Bild, Video, Audio und Text – und dem Selbstexempel, einem idealisierten Bild der eigenen Person, das als Orientierungspunkt dient und durch die Gesamtheit der Selbstexemplare geformt wird. In diesem Begriff der Selbstexemplarität zeigt sich eine zentrale Verschiebung im Verständnis von Exemplarität, weil hier nicht davon ausgegangen wird, dass andere als Vorbild dienen, sondern dass das eigene Selbstbild zum Maßstab erhoben wird. Auch wenn es sich hierbei nicht ausschließlich um ein digitales Phänomen handelt, so verändert das Digitale laut Zöpfl die Bedingungen und Auswirkungen dieses Prozesses grundlegend. Denn das digitale Profil als Selbstexempel, das kontinuierlich an der imaginierten Perspektive der digitalen Öffentlichkeit ausgerichtet wird, beeinflusst nicht nur die digitale, sondern auch die analoge Existenz der Person, weil es Einfluss darauf nimmt, was als lebenswert empfunden wird.
In seinem Beitrag „Ein vorbildliches Scheitern der Einbildungskraft? Günther Anders über das Exempel Eatherly“ wirft Fabian Warislohner die Frage auf, ob man sich auch an jemandem ein Beispiel nehmen kann, der gescheitert ist und zwar gerade an dem, was er sich hätte vorstellen müssen. In Auseinandersetzung mit dem Briefwechsel von Günther Anders mit dem Piloten Claude Eatherly, der die Wetteraufklärung für den Atombombenabwurf über Hiroshima durchgeführt hat, zeigt Warislohner, wie Anders Eatherly als Exempel konstruiert: Aus dem individuellen Scheitern Eatherlys, sich die Folgen seiner Handlung vorzustellen, lassen sich, so argumentiert Warislohner, aus der Sicht von Anders, Ressourcen für die Auseinandersetzung mit einer Technik gewinnen, deren Folgen das für Menschen Vorstellbare überschreiten. Denn im Kontext des atomaren Krieges fallen die Konsequenzen menschlichen Handelns und das Vermögen, diese zu begreifen, auseinander. Eatherly ist in diesem Sinne ein paradigmatischer Stellvertreter des homo faber. Seine Biografie werde von Anders methodisch eingesetzt, um die für alle Menschen im technischen Zeitalter bestehende Notwendigkeit zu vermitteln, die eigene Einbildungskraft auszubilden und moralische Phantasie zu entwickeln. Gerade weil es hierfür kein strenges Rezept geben kann, so lasse sich vermuten, rekurriert Anders auf das Exemplarische einzelner Biographien.
Aufgrund ihrer nicht nur thematisch, sondern auch theoretisch unterschiedlichen Zugänge zeigen die Beiträge verschiedene Hinsichten auf, in denen assoziative Verknüpfungen und Vorstellungsgewohnheiten zentral dafür sind, sich im Handeln und Urteilen am Exemplarischen zu orientieren. In diesem Sinne begreift sich der Schwerpunkt „Exemplarität und Einbildungskraft“ zugleich auch als ein Debattenaufschlag dafür, diesen Zusammenhang in weiteren Praxisfeldern und vor dem Hintergrund weiterer theoretischer Zugänge kritisch zu reflektieren. Der Schwerpunkt ist aus den gleichnamigen Panels auf der XI. Tagung für Praktische Philosophie an der Universität Passau am 19. und 20. September 2024 hervorgegangen (hierzu siehe den Bericht von Sinn 2024), in denen sich gezeigt hat, dass auch über die hier abgedruckten Beiträge hinaus ein großes Potenzial in der Reflexion dieses Zusammenhangs besteht. Wir danken allen Vortragenden wie auch den Teilnehmer:innen für ihre wertvollen Diskussionsbeiträge. Den Herausgeber:innen der Zeitschrift für Praktische Philosophie danken wir für die Aufnahme des Schwerpunkts und Karoline Reinhardt für die gute Betreuung. Dank gebührt ebenso all jenen, die wir als Gutachter:innen für die eingereichten Aufsätze gewinnen konnten. Schließlich bedanken wir uns bei Christoph S. Widdau für wertvolle Hinweise zur Einleitung. Larissa Wallners Arbeit an dieser Einleitung und am Schwerpunkt wurde durch ein von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung finanziertes Post-Doc-Fellowship (Oktober 2024 – Juli 2025) am Justitia Center for Advanced Studies der Goethe-Universität Frankfurt und am Forschungskolleg für Humanwissenschaften Bad Homburg finanziert.
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Gemeint ist Enver Hoxha, albanischer kommunistischer Diktator, der von 1946 bis 1985 Staats- und Parteichef der Sozialistischen Volksrepublik Albanien war.↩︎
Wobei zu bemerken ist, dass Ypi diesen Freiheitsbegriff zugleich exploriert und konstruiert.↩︎
Gleichwohl diese Unterscheidung der Sache nach weit verbreitet ist, gibt es keine einheitliche terminologische Konvention für diese beiden Dimensionen des Beispiels. Das Begriffsfeld umfasst auf der einen Seite Bezeichnungen wie „(Fall)Beispiel“, „Illustration“ und „Exemplar“, auf der anderen Seite neben dem „Exempel“ auch Bezeichnungen wie „Modell“ und „Paradigma“. Terminologisch orientieren wir uns hier an Summa und Mertens (2022, VIII).↩︎
Die Bedeutung des gesellschaftlichen Kontextes wird bei der Verwendung von Beispielen in philosophischen Texten indes häufig verkannt, was nicht zuletzt dadurch verschleiert wird, dass es gerade exemplarische Einzelfälle sind, die im Gewand der bloßen Illustration angeführt werden, um (neue) Begriffe zu plausibilisieren. Dadurch wird die diesen Veranschaulichungen selbst innewohnende normative Dimension jedoch einer kritischen Reflexion entzogen. Für eine Diskussion dieses Problems am Beispiel des Begriffs der Supererogation siehe Naumann 2017 und für eine entsprechende Analyse einiger der wirkmächtigsten Beispiele der Supererogationsdebatte – nämlich insbesondere die Taten sogenannter moralischer Held:innen und Heiliger – mit Fokus auf die durch sie implizit transportierten Geschlechterstereotype siehe Reinhardt 2024. Dass dieses Problem keineswegs nur in der Theorie besteht, sondern der Verweis auf herausragende moralische Akteur:innen als Vorbilder gerade auch in der Praxis Gefahr läuft, bestehende (Geschlechter)Stereotype und Unterdrückungsverhältnisse zu perpetuieren zeigen etwa Cherry 2017 und Naumann, Raters und Reinhardt 2023.↩︎
Gisèle Pelicot wurde über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren von ihrem damaligen Ehemann regelmäßig mit Medikamenten betäubt und über eine Internet-Plattform anderen Männern zur Ausübung sexualisierter Gewalt an ihr angeboten. Der Hauptangeklagte wurde vom Gericht 2025 schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Haft verurteilt. Auch die 50 Mitangeklagten erhielten Haftstrafen zwischen drei und 15 Jahren. Dabei fielen die Urteile milder aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert.↩︎
Dass die diskursive Verschiebung der Sichtbarkeit von den Opfern auf die Täter so nötig ist, lässt sich mit der Frage zuspitzen, wie es möglich ist, dass jede Frau eine andere Frau kennt, die vergewaltigt wurde, aber kaum ein Mann einen Vergewaltiger. Es wird sich zeigen, ob der Prozess von Avignon den öffentlichen Diskurs über den Begriff der Vergewaltigung und die juristische Handhabung der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen maßgeblich und nachhaltig verändert hat.↩︎
FLINTA* ist eine Abkürzung, die für Frauen, Lesben, InterPersonen, Nicht-binärePersonen, TransPersonen und AgenderPersonen steht.↩︎
„Worauf kommts an?” ist nach Kants Dafürhalten die zentrale Frage der Urteilskraft (Anth., AA 7: 227).↩︎
Gleichwohl ist umstritten, was sinnliche Vorstellungen sind und wie sie sich von anderen Repräsentationsarten abgrenzen lassen. Die Debatten um die Ontologie und die Taxonomie der sinnlichen Vorstellungskraft sind sehr differenziert und weitreichend. Sie umfassen die Philosophie des Geistes, die Erkenntnistheorie und Ästhetik und in jüngeren Jahren verstärkt die praktische Philosophie. Vorliegend kann die Bedeutung sinnlicher Vorstellungskraft nur für den Nexus von Exemplarität und Einbildungskraft angerissen werden.↩︎
Auf die Problematik von methodischen Ansätzen, die sich auf Intuitionen und damit letztlich auf imaginative Erfahrungen berufen, weist etwa unter vielen anderen Sally Haslanger hin (Haslanger 1999, 466). ↩︎