https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/issue/feed Zeitschrift für Praktische Philosophie 2023-12-21T22:00:28+01:00 Zeitschrift für Praktische Philosophie praktische.philosophie@plus.ac.at Open Journal Systems <p><span style="font-weight: 400;">Die ZfPP ist folgenden Grundsätzen verpflichtet:</span></p> <ol> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/ausrichtung"><span style="font-weight: 400;">Abdeckung der praktischen Philosophie in ihrer gesamten Breite ohne Eingrenzung auf bestimmte Schulen, Themen oder Methoden</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/open-access"><span style="font-weight: 400;">Open Access</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/begutachtung"><span style="font-weight: 400;">Qualitätssicherung durch Begutachtung</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/wissenschaftssprache"><span style="font-weight: 400;">Deutsch als Wissenschaftssprache</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/transparenz-inklusion-diversitaet"><span style="font-weight: 400;">Transparenz, Inklusion und Diversität</span></a></li> <li style="font-weight: 400;" aria-level="1"><a href="https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/rolle-wissenschaftliche-gemeinschaft"><span style="font-weight: 400;">Aktive Rolle in der wissenschaftlichen Gemeinschaft</span></a></li> </ol> https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/494 Editorial 2023-12-21T21:46:12+01:00 Gottfried Schweiger Gottfried.Schweiger@plus.ac.at Karoline Reinhardt karoline.reinhardt@uni-passau.de Birgit Beck birgit.beck@tu-berlin.de Michael Zichy michael.zichy@plus.ac.at <p>Liebe Leserinnen und Leser!</p> <p>Wir freuen uns, die zweite Ausgabe 2023 der Zeitschrift für Praktische Philosophie vorlegen zu können. In der offenen Sektion sind vier Beiträge versammelt: Andreas Cassee und Sabine Hohl legen eine Kritik der allgemeinen Dienstpflicht vor, Anita Horn schreibt über Dissoziation als Konzept der Ethik und Sozialkritik, der Text von Bastian Ronge widmet sich Simon Weils Verständnis der Arbeitsteilung und Miriam Schröder hat einen Beitrag über Natur und Nichtidentität mit Blick auf Theodor W. Adorno und Donna J. Haraway verfasst. Der Schwerpunkt in dieser Ausgabe wurde von Janina Loh und Michael Kühler betreut und enthält sechs Texte zu philosophischen Fragen der Polyamorie. Wir danken den Autor:innen und insbesondere den Gutachter:innen, die sich die Mühe machen, die eingereichten Texte gründlich zu lesen und zu kommentieren, und auf diese Weise sicherstellen, dass die ZfPP ihren hohen Qualitätsansprüchen gerecht wird. Wir danken dem Open-Access- Publikationsfonds der Universität Salzburg für die finanzielle Unterstützung zur Herausgabe der Zeitschrift für Praktische Philosophie. Mit dieser Ausgabe verabschieden wir Sarah Bianchi aus dem Kreis der Herausgeber:innen. Wir danken ihr herzlich für ihr Engagement für die ZfPP und wünschen ihr alles Gute für die Zukunft.</p> <p>Die Herausgeber:innen</p> <p>Birgit Beck, Karoline Reinhardt Gottfried Schweiger &amp; Michael Zichy</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Gottfried Schweiger, Karoline Reinhardt, Birgit Beck, Michael Zichy https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/493 Einleitung: Polyamorie 2023-12-21T21:37:55+01:00 Kühler Michael michael.kuehler@kit.edu Janina Loh mail@janinaloh.de <p>Die Vorstellung, dass wir mehrere Menschen zugleich lieben können, wird in modernen, westlich geprägten Gesellschaften sowohl als fast trivialerweise wahr anerkannt, als auch als grundsätzlich verfehlt abgelehnt. Während beispielsweise kein Zweifel daran besteht, dass wir üblicherweise unsere Eltern und zeitgleich etwaige Geschwister sowie umgekehrt Eltern für gewöhnlich alle ihre Kinder lieben und wir zudem zumeist mehrere enge und tiefe Freundschaften pflegen, ist die gesellschaftlich vorherrschende Auffassung von romantischer Liebe weitgehend von der Idee geprägt, dass es sich ausschließlich um exklusive Zweierbeziehungen handeln könne. Darüber hinaus haftet allen von der romantischen exklusiven Paarbeziehung abweichenden Formen, Liebe in Beziehungskonstellationen zu leben, eine diese moralisch mindestens als implizit fragwürdig, wenn nicht sogar offen als verwerflich kennzeichnende Be- beziehungsweise Verurteilung an. Tatsächlich gibt es allerdings viele Alternativen zur Monogamie. Der vermutlich berühmtesten, der Polyamorie, widmet sich der vorliegende Schwerpunkt. Das Wort „Polyamorie“ ist ein griechisch-lateinischer Hybrid (griech. polýs, viel/mehrere; lat. amor, Liebe) und die Bezeichnung für das zeitgleiche und konsensuelle Eingehen mehrerer Liebesbeziehungen. „Polycule“ ist das englische Kunstwort für eine ganze Reihe deutscher Ausdrücke für polyamore Beziehungsmodelle wie etwa auch „konsensuell- nichtmonogames Beziehungsnetzwerk“, „Sorgegemeinschaft“, „Wahlfamilie“ oder „Polykül“. Polyamore Beziehungsmodelle sind demnach breit gefächert und können letztlich alle möglichen Beziehungskonstellationen zwischen Personen umfassen, die einander auf die eine oder andere liebende Weise nahestehen. Dieser Schwerpunkt wirft vereinzelt Schlaglichter der philosophischen und ethischen Reflexion auf einige der Fragen und Herausforderungen, die sich hinsichtlich ethischer Polyamorie stellen beziehungsweise die mit dieser Form der nichtmonogamen Beziehungspraxis und -haltung einhergehen. Unsere Autor*innen eröffnen Diskussionsräume über einige grundlegende Aspekte einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Polyamorie. Damit stecken wir mit diesem Schwerpunkt das große Feld der philosophischen und ethischen Analyse rund um die Polyamorie lediglich grob ab – eine systematische und umfassende philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Polyamorie muss an anderer Stelle erfolgen. Nichtsdestotrotz erleichtern wir mit diesem Schwerpunkt den Einstieg in die vielfältigen philosophischen und ethischen Fragen, die sich mit dem Phänomen der Polyamorie ergeben und bereiten den Grund für eine dezidierte und genaue Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, vor die wir uns mit ihr gestellt sehen.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Kühler Michael, Janina Loh https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/406 Liebe, Polyamorie und (kein) Sex 2023-06-06T15:55:45+02:00 Elke Elisabeth Schmidt schmidt@philosophie.uni-siegen.de <p>Polyamorie ist romantische Liebe, die sich auf mindestens zwei Personen bezieht oder beziehen kann. Eine solche Definition klingt leichter als sie es tatsächlich ist. Um eine genaue und adäquate Analyse von Polyamorie zu leisten, muss, <em>erstens</em>, geklärt werden, was Liebe – die hier allein als romantische Liebe thematisiert wird – überhaupt ist. Sie ist, so soll gezeigt werden, ein spezifisches dispositionales Emotionsmuster, das eine besonders starke Form der subjektiven Bedeutsamkeit konstituiert. Auf dem Hintergrund dieses Verständnisses von romantischer Liebe im Allgemeinen soll dann, <em>zweitens</em>, gezeigt werden, dass polyamore Liebe keine <em>andere</em> Form der Liebe ist als monoamore Liebe, sondern sich als romantische Liebe allein durch die divergierende Anzahl der Personen, die Gegenstand der Liebe sind, von monoamorer Liebe unterscheidet; besonderer Auszeichnungen wie <em>verantwortlich</em> oder <em>konsensuell</em>, wie sie in der Literatur geläufig sind, bedarf eine so verstandene polyamore Liebe, um sie hinreichend zu definieren, also <em>nicht</em>. Beachtet man aber, dass es eine Sache ist, polyamore <em>Liebe</em>, verstanden als emotionales Phänomen, zu definieren, und eine durchaus ganz andere Sache, polyamore <em>Beziehungen</em> zu definieren, bleibt Raum für die Frage, wann genau eine Beziehungskonstellation eigentlich polyamor ist, oder wann eine polyamore Person einfach nur mehrere Personen liebt, ohne dass die entstehende Beziehungskonstellation als solche aber polyamor wäre. Schließlich soll, <em>drittens</em>, das Verhältnis von Polyamorie und Sexualität beleuchtet werden. Auch wenn Sexualität für gewöhnlich als eines der hervorstechenden Elemente der romantischen Liebe verstanden wird, gehört sie gar nicht <em>notwendig</em> zu ihr – und jedenfalls hätte die Behauptung, dass eine notwendige Beziehung zwischen Polyamorie und gelebter Sexualität besteht, begrifflich-normative Konsequenzen, die man wohl gar nicht haben will. Es wird gezeigt, warum es keine notwendige Beziehung zwischen Liebe und Sexualität gibt – weder zwischen monoamorer noch zwischen polyamorer Liebe und Sexualität. Auch asexuelle polyamore (romantische) Liebe ist somit möglich.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Elke Elisabeth Schmidt https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/407 Polyamorie & Freundschaft 2023-02-27T20:31:37+01:00 Simon Stromer s.stromer@lmu.de Sinja Hofmann Hofmann.Sinja@lmu.de <p style="font-weight: 400;">Dieser Beitrag hinterfragt das weitläufige Verständnis von Polyamorie als eine Form der Liebe beziehungsweise Beziehungsform, die (1) notwendigerweise romantische Liebesbeziehungen in einem engen Verständnis beinhaltet, das heißt einschließlich Sex, und (2) Freundschaft ausschließt. Über eine Untersuchung und Zurückweisung der These, dass romantische Liebesbeziehungen ohne Sex nicht denkbar sind, kommt der Beitrag zu einer Analyse von romantischen Liebesbeziehungen und Freundschaften. Anhand einer vergleichenden Analyse der in romantischen Liebesbeziehungen wie auch in engen Freundschaften realisierten Beziehungsgüter kann gezeigt werden, dass sich diese kaum in einem normativ relevanten Sinne unterscheiden. Letztendlich kann Polyamorie damit plausiblerweise nur auf einem weiten Verständnis romantischer Liebesbeziehungen aufbauen, was das Konzept inklusiver gestaltet und in polyamoren Beziehungskonstellationen Raum für Freundschaften und nicht-sexuelle romantische Beziehungen bietet. Dieser Artikel leistet damit nicht nur einen explikativen und präzisierenden Beitrag zur philosophischen Debatte rund um Polyamorie, sondern möchte den Begriff neu prägen.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Simon Stromer, Sinja Hofmann https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/393 Compersion in nicht-monogamen Beziehungen – eine buddhistische Perspektive 2023-01-30T13:22:02+01:00 Luu Zörlein lzoerlein@uni-osnabrueck.de Hin Sing Yuen hyuen@uni-osnabrueck.de Sven Walter mail@svenwalter.eu <p>Compersion ist ein affektiver Zustand, der häufig im Zusammenhang mit Polyamorie und allgemein nicht-monogamen Beziehungen diskutiert wird. Er wird in der Regel als eine positive emotionale Reaktion darauf beschrieben, dass die*der Partner*in Zeit und/oder Intimität mit anderen genießt, gewissermaßen als ‚das Gegenteil von Eifersucht‘. Wir argumentieren dafür, dass eine buddhistische Perspektive dazu beitragen kann, die Natur dieser bislang schlecht verstandenen Emotion zu erschließen. Indem wir eine buddhistische Perspektive auf Compersion einnehmen, die auf den sogenannten ‚vier göttlichen Verweilzuständen‘ basiert, d. h. auf nicht-egozentrischen Zuständen, die Buddhist*innen zufolge ein gelingendes Leben erlauben, beschreiben wir (auch moralpraktisch) wichtige Facetten dieser Emotion, die sonst leicht übersehen werden. Ein solcher Ansatz, so argumentieren wir, bereichert nicht nur unser Verständnis von Compersion, sondern trägt auch zum Gelingen aller Arten von Beziehungen bei.</p> 2023-12-29T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Sven Walter, Luu Zörlein, Hin Sing Yuen https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/430 Ideale polyamoröse Verpflichtung 2023-03-28T06:11:56+02:00 Raja Rosenhagen raja.rosenhagen@gmail.com <p>Wer denkt, Polyamorie erfordere ein geringeres Maß an Verpflichtung als Zweierbeziehungen, der liegt gründlich daneben. Wie aber gestaltet sich polyamoröse wechselseitige Verpflichtung idealerweise? In diesem Beitrag untersuche ich, ob sich ein bestimmtes, auf Iris Murdochs Konzeption von Liebe als gerechter Aufmerksamkeit beruhendes Ideal wechselseitiger Verpflichtung in romantischen Partnerschaften fruchtbar auf polyamoröse Beziehungsgeflechte anwenden lässt. Ich beginne damit, Murdochs im deutschsprachigen Raum kaum rezipierte Liebeskonzeption ausführlich darzustellen und diese dabei von Simone Weils Position abzugrenzen, der Murdoch wesentliche Elemente entnimmt. In einem zweiten Schritt skizziere ich das von Murdochs Position inspirierte Ideal wechselseitiger Verpflichtung. In Auseinandersetzung mit Überlegungen, die John Enman-Beech und Julienne Obadia mit Blick auf die in polyamorösen Beziehungsgeflechten verbreitete Praxis angestellt haben, Beziehungsvereinbarungen einzugehen, werbe ich drittens für die skizzierte Idealkonzeption, indem ich zeige, dass sich mit ihr den von Enman-Beech und Obadia aufgeworfenen Herausforderungen, die sich im Zuge intrapolykularer Beziehungsvereinbarungen stellen, in zwei Hinsichten mit Erfolg begegnen lässt. Erstens hebe ich hervor, dass eine am skizzierten Ideal orientierte Praxis bereits die Art von prozeduralen Normen implementiert, auf deren Bedeutung Enman-Beech zu Recht hinweist. Zweitens argumentiere ich dafür, dass das skizzierte Ideal nicht den Schwierigkeiten ausgesetzt ist, die sich nach Obadia mit denjenigen Elementen intrapolykularer Beziehungsvereinbarungen verbinden, die sie als <em>Vertragskomplex</em> bezeichnet, und ein weniger pessimistisches Bild davon nahelegt, wie vermittelst solcher Beziehungsvereinbarungen konstituierte Individuen aufzufassen sind.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Raja Rosenhagen https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/388 Polyamorie und Ethik 2023-10-25T09:33:14+02:00 Janina Loh mail@janinaloh.de <p>„Polyamorie“ ist die Bezeichnung für das explizite und konsensuelle Eingehen mehrerer Liebesbeziehungen zur selben Zeit. Mit polyamoren Konstellationen korreliert, dafür wird in diesem Beitrag argumentiert, eine Ethik der Beziehungsgestaltung und sie schließen darüber hinaus für gewöhnlich das Teilen äquivalenter gesellschaftspolitischer Prämissen ein, auf die im Folgenden an einigen Stellen hingewiesen wird. Eine Ethik der Polyamorie umfasst zwei Eigenschaften: Polyethiken brechen <em>zum einen</em> mit dem traditionellen Verständnis vom Individuum oder Handlungssubjekt. Ich werde zeigen, dass polyamoren Beziehungsnetzwerken und der Ethik, die in ihnen idealiter gelebt wird, ein relationales Denken zugrunde liegt. <em>Zum anderen</em> zeichnen sich Polyethiken durch ein besonderes Augenmerk auf die Beziehungen, die als poly bezeichnet werden können, aus, in denen typischerweise eine Reihe von Werten realisiert werden. Zuvor gilt es allerdings, das Verständnis von Liebe zu definieren, das nach meinem Verständnis einem Polycule bzw. polyamoren Beziehungsnetzwerken im Allgemeinen zugrunde liegt.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Janina Loh https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/409 Der Gebrauch von Emotionen als Regierungshandeln? 2023-03-01T11:28:08+01:00 Verena Kettner verena.kettner@univie.ac.at <p>In diesem Artikel wird anhand von zwei Fallbeispielen von Eifersucht in konsensuell nicht-monogamen Beziehungsgefügen dargelegt, inwiefern Emotionen neoliberal-patriarchalen (Selbst-)Regierungstechnologien inhärent sind. Emotionen werden dabei aus einer postkolonialen, queerfeministischen Affektperspektive betrachtet, da sie hierbei sowohl als den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie entstehen, inhärent, als auch diese Verhältnisse (re-)produzierend gedacht werden. Emotionen dienen in dieser Sichtweise und in diesem Artikel als Erkenntnismoment und als Analysetool, die ambivalent wirken, da sie sowohl den Status Quo affirmieren als diesen auch unterminieren können. Mithilfe dieser Emotionsperspektive werden zwei Fallbeispiele analysiert, in denen Eifersucht in konsensuell nicht-monogamen Beziehungskonstellationen auftritt. Der Fokus dabei liegt einerseits auf dem individuellen Umgang der beteiligten Personen mit Eifersucht und andererseits auf den normativen, vor allem diskursiven, Rahmenbedingungen, die das Entstehen des Gefühls innerhalb dieser Lebenszusammenhänge mitbedingen. Die Daten zu den Fallbeispielen stammen aus narrativen Interviews, die innerhalb meines Dissertationsprojekts „Beyond the Nuclear Family“ (i. E., Universität Wien, 2022) mithilfe der Grounded Theory Methodologie nach Kathy Charmaz (2006: 10) ausgewertet wurden. Ziel des Artikels ist es aufzuzeigen, inwiefern Eifersucht nicht nur als eine ‚negative‘, unangenehme Emotion betrachtet werden kann, sondern auch als ein Wahrnehmungsmodus, der etwas über die sozialen Machtverhältnisse, in welche die Emotion eingebettet ist, aussagen kann. Konsensuell nicht-monogam lebenden Beziehungs- und Familienkonstellationen soll es damit vereinfacht werden, sich normativen Zuschreibungen und Diskursen rund um ihre Gefühlswelt und Lebensweise entgegenzusetzen.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Verena Kettner https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/391 Die allgemeine Dienstpflicht: Eine Kritik 2023-09-07T19:09:38+02:00 Andreas Cassee cassee@uni-mannheim.de Sabine Hohl sabine_hohl@gmx.ch <p>Dieser Beitrag kritisiert aktuelle Vorschläge zur Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht. Vier Argumente für einen verpflichtenden Dienst zugunsten der Allgemeinheit werden diskutiert und zurückgewiesen: Das paternalistische Argument, das sich auf den Nutzen der Dienstpflicht für die Dienstpflichtigen selbst beruft, scheitert aus prinzipiellen Erwägungen. Das sozialstaatliche Argument, das die Dienstpflicht durch ihre Rolle bei der Erfüllung sozialstaatlicher Aufgaben gerechtfertigt sieht, ist wenig überzeugend, solange es mildere Mittel gibt, diese Aufgaben zu erfüllen. Das Argument über Gemeinschaftlichkeit, das die Dienstpflicht mit einer Konzeption des guten Lebens in Gemeinschaft begründet, scheitert an seiner Unvereinbarkeit mit einem vernünftigen Pluralismus der Lebensentwürfe. Und schließlich ist auch die These zurückzuweisen, dass eine allgemeine Dienstpflicht notwendig sei, um die gesellschaftlichen Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie zu gewährleisten. Eine Diskussion vermeintlicher Analogien beschließt den Aufsatz.</p> 2023-12-22T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Andreas Cassee, Sabine Hohl https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/471 Dissoziation als Konzept der Ethik und Sozialkritik 2023-11-07T11:13:07+01:00 Anita Horn anita.horn@unisg.ch <p style="font-weight: 400;">Ausgehend von der Kritik einer fehlenden psychologisch informierten Subjekttheorie als Grundlage der Theorie Epistemischer Ungerechtigkeiten von Miranda Fricker wird der Begriff der Dissoziation als sozialphilosophisches Kriterium eingeführt. Die philosophische Technik der Dissoziation wird im Verhältnis zum psychologischen Verständnis des Begriffs diskutiert. Es wird die These vertreten, dass dissoziative Mechanismen und Phänomene innerpsychische und kollektive Prozesse miterklären können, die zur Genese und Aufrechterhaltung epistemischer Ungerechtigkeiten sowie insbesondere zur Persistenz von Ideologien beitragen.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Anita Horn https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/433 Simone Weil 2023-09-04T10:11:27+02:00 Bastian Ronge bastian.ronge@uni-wuppertal.de <p>Der vorliegende Aufsatz entwickelt die These, dass Arbeitsteilung ein wesentliches Medium ist, um gesellschaftliche Verachtung zu organisieren und zu mobilisieren. Er tut dies im Ausgang und im Rückgriff auf Simone Weil. Ihre Überlegungen zu Arbeit und Arbeitsteilung erlauben es, einen Brückenschlag zwischen zwei aktuellen Forschungssträngen zu schlagen, die in der Regel nebeneinanderher laufen: die sozialphilosophische Diskussion um das Verhältnis von Anerkennung und Arbeit auf der einen Seite und die Debatte zur Frage bedeutungsvoller Arbeit (meaningful work) in der Politischen Philosophie auf der anderen Seite. Simone Weil erlaubt es, beide Debatten zu bereichern und zu verknüpfen. Ihre Reflexion auf das Phänomen Arbeitsteilung bereichert die sozialphilosophische Diskussion, indem sie zeigt, dass Arbeit nicht nur ein Medium gesellschaftlicher Anerkennungsprozesse ist bzw. sein kann, sondern auch ein Mittel gesellschaftlicher Verachtungsprozesse (Teil 1). Zugleich fordert sie, dass Arbeit so gestaltet wird, dass die Tätigen darin Autonomie erfahren können. Ihre diesbezüglichen Überlegungen ergänzen die Debatte in der Politischen Philosophie, in der ebenfalls auf das Kriterium der Autonomie zurückgegriffen wird, um bestimmen zu können, was „meaningful work“ ist (Teil 2). Am Ende des Aufsatzes werden die wesentlichen Ergebnisse kurz zusammengefasst und die weiterführende Frage aufgeworfen, inwiefern sich mit diesen Überlegungen an das normative Projekt einer verachtungsfreien Gesellschaft angeknüpft werden kann, das Avishai Margalit mit seinem Buch „The Decent Society“ einst skizziert hat.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Bastian Ronge https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/446 Natur und Nichtidentität zwischen Theodor W. Adorno und Donna J. Haraway 2023-09-20T11:18:09+02:00 Miriam Schröder mi.schroeder@em.uni-frankfurt.de <p>Im Angesicht der Klimakatastrophe häufen sich die Versuche, Autor*innen der frühen Kritischen Theorie in Debatten um das sogenannte Anthropozän einzubringen. Häufig wird eine produktive Auseinandersetzung mit anderen Theorietraditionen allerdings kategorisch verweigert. In diesem Beitrag wird Theodor W. Adornos Naturbegriff in ein Gespräch mit den Arbeiten der Wissenschaftstheoretikerin Donna J. Haraway gebracht. Er zeigt, dass die gemeinsame Diskussion einen wertvollen Beitrag zu einer Kritik an gesellschaftlichen Naturverhältnissen leisten kann. Dafür werden zunächst Punkte der Überschneidung in den jeweiligen Naturbegriffen herausgearbeitet. Anschließend wird die Differenz in der Frage danach, wie sich innerhalb der Logik der Naturbeherrschung dem Besonderen oder Nichtidentischen überhaupt genähert werden kann, ausgehend von dem Verhältnis von Kritik und Spekulation in beiden Ansätzen diskutiert. Es wird argumentiert, dass Adorno auch die spekulativen Momente unter die Identitätslogik der Naturbeherrschung subsumiert, während Haraway einige dieser Fallstricke vermeiden kann. Allerdings drohen ihre Spekulationen den Kontakt zum Gegenstand der Kritik zu verlieren. Zwischen den diskutierten Ansätzen lässt sich ein Verhältnis von Spekulation und Kritik anvisieren, das die Ausarbeitung eines Naturbegriffs ermöglichen kann, der auf ein herrschaftsfreies Zusammenleben aller abzielt.</p> 2023-12-21T00:00:00+01:00 Copyright (c) 2023 Miriam Schröder