Call for Papers: Schwerpunkt: Die Klimakrise und die praktische Philosophie

09.04.2024

Deadline Call for Papers: 30.11.2024

Herausgeber: Daniel Lucas (ETH Zürich), Joseph Conrad (Edinburgh), Stefan Knauss (Halle)

Dieser Schwerpunkt beleuchtet die Rolle der praktischen Philosophie sowie die Rolle praktischer Philosoph*innen in der Klimakrise.

Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat aller Voraussicht nach gravierende Folgen für sämtliche gesellschaftlichen Bereiche. Im März 2023 veröffentlichte das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) seinen sechsten Weltklimabericht mit einer wiederholt unmissverständlichen Warnung hinsichtlich potenziell katastrophaler Klimafolgen und dem klaren Aufruf zu sofortigen Maßnahmen zur Minderung globaler Treibhausgasemissionen. Zugleich steigen globale Treibhausgasemissionen jährlich an. Das 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaabkommens ist zunehmend unerreichbar und die internationale Gemeinschaft kann sich nach fast 30 Jahren UNFCCC Klimakonferenzen noch immer nicht offiziell auf einen Ausstieg aus den fossilen Energien einigen. Der Klimawandel wird somit zur Klimakrise, die zur Katastrophe werden kann, wenn eine sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaften weiterhin ausbleibt. Doch welche Akteure kommen für einen solche tiefgreifenden und weitreichenden Wandel im Sinne der Nachhaltigkeit in Frage? Die Macht der Einzelperson, politische Veränderung herbeizuführen, erscheint angesichts globaler Herausforderungen als sehr begrenzt. Neue soziale Bewegungen wie „Fridays for Future“ und die „Letzte Generation“ scheitern nicht nur daran, weite Teile der Bevölkerung zu mobilisieren, sie stehen zunehmend selbst in der Kritik. Auch etablierte politische Akteure und transnationale Vereinigungen erscheinen als unfähig, jenseits politisch im Grunde folgenloser Rhetoriken und symbolischer Einigungen, dringend nötige gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben.

Vor diesem Hintergrund – dem Hintergrund der potenziell katastrophalen klimatischen Krise, des politischen Versagens der internationalen Gemeinschaft, der begrenzten Macht des Einzelnen und des gegenwärtigen Scheiterns der Klimabewegung – stellen sich bedeutende Fragen für die praktische Philosophie: Was ist die Rolle der praktischen Philosophie als akademische Disziplin angesichts der Klimakrise? Welche gesellschaftlich relevanten Fragen kann die praktische Philosophie in der Klimakrise beantworten und somit zum öffentlichen Diskurs beitragen? Darüberhinausgehend: Was ist die Rolle praktischer Philosoph*innen in ihrer Funktion als Angehörige der Universität, als Forschende und Lehrende und als solche Personen, die sich an der öffentlichen gesellschaftlichen Debatte beteiligen? Kann, darf oder muss sich die praktische Philosophie als eine transformative Wissenschaft begreifen, die gesellschaftliche Problemlagen nicht nur apolitisch beschreibt, sondern selbst Verantwortung für die Erreichung gesamtgesellschaftlicher Nachhaltigkeitsziele erreicht?

Der Schwerpunkt „Die Klimakrise und die praktische Philosophie“ soll einerseits zur kritischen Reflexion gesellschaftlich relevanter Fragen in der Klimakrise beitragen, beispielsweise in Bezug auf Formen des Klima-Aktivismus, der Klima-Verantwortung der/des Einzelnen im kollektiven Kontext oder der Rolle von sich verbreitenden Klima-Emotionen wie Hoffnung, Trauer und Angst. Hier liegt der Fokus auf den spezifischen Einsichten und Erkenntnissen der praktischen Philosophie, die den öffentlichen Diskurs in der Klimakrise bereichern können. Andererseits soll der Schwerpunkt das Handeln der praktischen Philosophie selbst reflektieren. Wie behandeln aktuelle Beiträge in der praktischen Philosophie die Klimakrise – welche Fragen drängen, welche Annahmen sind potenziell problematisch und welche Perspektiven werden tendenziell vernachlässigt? Welche Verantwortung trägt demnach die praktische Philosophie als akademische Disziplin angesichts der Klimakrise und welche Verantwortung tragen einzelne praktischen Philosoph*innen in der Forschung, der Lehre, als Teil der Universität und als Mitglieder der Öffentlichkeit?

Kurz, der Schwerpunkt soll vor dem Hintergrund der Klimakrise für die praktische Philosophie relevante gesellschaftliche Entwicklungen sowie Entwicklungen in der praktischen Philosophie selbst kritisch reflektieren. Beitragende sind eingeladen, praktische normative und politische Fragen des Klimawandels sowie deren philosophische Debatte zu beleuchten. Sie sind darüber hinaus eingeladen, darüber zu reflektieren, wo und wie sie ihre Rolle als praktische Philosoph*innen in der akademischen und öffentlichen Debatte sehen und wie sie ihr universitäres, öffentliches und privates Handeln vor dem Hintergrund der Klimakrise verstehen.

Zwar widmen sich praktische Philosoph*innen zunehmend wichtigen Fragen der Klimakrise. Jedoch fehlt in der Debatte ein kritischer Blick auf die praktische Philosophie und praktische Philosoph*innen selbst. Diese Lücke soll der Schwerpunkt schließen.

Wir freuen uns auf Beiträge, die sich den folgenden Fragen (und verwandten) widmen:

Die Klimakrise in aktuellen Beiträgen der praktischen Philosophie

  • Wie reflektieren aktuelle Beiträge in der praktischen Philosophie über die Klimakrise? Wo gibt es blinde Flecken? Welche Fragen drängen? Welche Grundannahmen müssen überdacht werden?

Verantwortung praktischer Philosoph*innen vor dem Hintergrund der Klimakrise

  • Verantwortungsvolle Forschung: Was bedeutet es, vor dem Hintergrund der Klimakrise verantwortungsvoll zu forschen? Welche theoretischen Prinzipien, Konzepte oder Methodologien müssen hinsichtlich der Klimakrise überdacht werden?
  • Verantwortungsvolle Lehre: Was bedeutet verantwortliche Lehre in der Klimakrise? Welche Ziele sollte die Lehre verfolgen? Welche didaktischen Methoden sind angebracht?
  • Verantwortung im Rahmen der Universität: Welche Verantwortung tragen praktische Philosoph*innen im sonstigen universitären Alltag, z.B. in Bezug auf Konferenzen oder in administrativen Rollen?
  • Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit: Welche Verantwortung tragen praktische Philosoph*innen im öffentlichen Diskurs, als Aktivist*innen, öffentliche Expert*innen oder Berater*innen für Gesetzesvorhaben?

Klima-Aktivismus

  • Welche ethischen Fragen wirft der Klima-Aktivismus auf? Welche Formen von Aktivismus sind gerechtfertigt und wo sind ethische Grenzen des Klima-Aktivismus? Wer sollte aktiv werden und in welcher Form?

Die Rolle des/der Einzelnen im kollektiven Kontext

  • Welche Verantwortung tragen Personen in verschiedenen sozialen Rollen oder als Teil von Kollektiven wie z.B. Unternehmen, Religionsgemeinschaften, lokale Gemeinden und Staaten in Bezug auf die Klimakrise?

Klima-Emotionen

  • Welche Antworten hat die praktische Philosophie auf die Frage nach dem Umgang mit Emotionen wie Angst, Trauer, Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit im Angesicht der Klimakrise?

Die Einreichungsfrist für die Beiträge ist der 30. November 2024. Die Veröffentlichung des Schwerpunkts ist für Dezember 2025 geplant, alle Beiträge durchlaufen den üblichen doppelt-blinden Begutachtungsprozess. Die Einreichung erfolgt über die Webseite der ZfPP, wo Sie auch Informationen zu Umfang und Gestaltung des Manuskripts finden: https://www.praktische-philosophie.org

Bei Rückfragen kontaktieren Sie die Schwerpunktherausgeber: Daniel Lucas (daniel.lucas@gess.ethz.ch), Joseph Conrad (joseph.conrad@ed.ac.uk), Stefan Knauss (stefan.knauss@geo.uni-halle.de)