Nachbarn oder Nachkommen?
Intra- vs. intergenerationelle Gerechtigkeit
Schlagwörter:
Zukunftsethik, intergenerationelle Gerechtigkeit, Aggregationsverfahren, Synchronität, DiachronitätKey words:
Zukunftsethik, intergenerationelle Gerechtigkeit, Aggregationsverfahren, Synchronität, DiachronitätAbstract
Wie sollen individuelle, miteinander konkurrierende Ansprüche gegeneinander abgewogen werden? Die gerechtigkeitstheoretischen Herausforderungen wachsen, wenn künftige Personen mit einbezogen werden. Mit dem Schritt von rein intra- zu intergenerationeller Gerechtigkeit sind die Ansprüche nicht mehr nur im Raum, sondern auch in der Zeit verteilt. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, auf welche Weise die so verteilten Ansprüche zusammengeführt werden sollen.
Dazu wird zwischen einer synchronen und einer diachronen Gerechtigkeitskonzeption unterschieden. Erstere sieht die zeitliche Dimension als Erweiterung der räumlichen: Zunächst setzt sie jene Ansprüche, die zu einem gegebenen Zeitpunkt innerhalb einer Generation existieren, zueinander in Beziehung. Die so zusammengeführten generationellen Ansprüche werden anschließend entlang der Zeit gegeneinander abgewogen. Letztere hingegen verwirft die Generation als relevante Gruppe, um die Bedürfnisse des Individuums zu vertreten. Stattdessen basiert sie auf der Idee transgenerationeller Gemeinschaften. Sie stellt individuelle Ansprüche zunächst innerhalb der jeweiligen, zeitlich ausgedehnten Gemeinschaft einander gegenüber. Anschließend setzt sie dann diese Gemeinschaften zueinander in Beziehung. Bestehende Theorien generationenübergreifender Gerechtigkeit verfolgen dabei zumeist eine Extensionsstrategie: Sie erweitern eine bestehende intragenerationelle Theorie um die zeitliche Dimension hin zur Intergenerationalität. Dies entspricht einer synchronen Konzeption, die jedoch oftmals nichts expliziert wird.
Demgegenüber entwickelt der Beitrag zwei Argumente für die diachrone Alternative. Konzentrieren wir uns weniger auf Forderungen ganzer Generationen, sondern auf Bedürfnisse künftiger Mitglieder unserer transgenerationellen Gemeinschaften, so werden wir, erstens, der motivationalen Herausforderung besser gerecht werden. Sie besteht in der Beantwortung der Frage, warum wir im heutigen Handeln überhaupt Raum für nachfolgende Interessen schaffen sollten. Innerhalb transgenerationeller Gemeinschaften stehen diese nachfolgenden Interessen jedoch nicht in Isolation, sondern sind durch Interaktion innerhalb der Gemeinschaft geprägt und erlauben uns damit, unsere eigenen Interessen über das eigene Leben hinaus zu verwirklichen. Zweitens können wir so auch der epistemischen Herausforderung begegnen. Diese stellt sich angesichts der Frage, worin eigentlich die nachfolgenden Interessen bestehen. Greifen wir sie nicht als kollektive Wünsche ganzer Generationen auf, sondern als die Pläne und Projekte künftiger Mitglieder unserer Gemeinschaft, so wird es leichter sein, vom Heute auf die Zukunft und ihre Bedürfnisse zu schließen.
Die Forderung, künftige Ansprüche im heutigen Handeln zu berücksichtigen, wirft die Frage nach dem ‚Warum‘ und die nach dem ‚Wie‘ auf. Beiden kann eine diachrone Konzeption intergenerationeller Gerechtigkeit eher begegnen.
Wie sollen individuelle, miteinander konkurrierende Ansprüche gegeneinander abgewogen werden? Die gerechtigkeitstheoretischen Herausforderungen wachsen, wenn künftige Personen mit einbezogen werden. Mit dem Schritt von rein intra- zu intergenerationeller Gerechtigkeit sind die Ansprüche nicht mehr nur im Raum, sondern auch in der Zeit verteilt. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, auf welche Weise die so verteilten Ansprüche zusammengeführt werden sollen.
Dazu wird zwischen einer synchronen und einer diachronen Gerechtigkeitskonzeption unterschieden. Erstere sieht die zeitliche Dimension als Erweiterung der räumlichen: Zunächst setzt sie jene Ansprüche, die zu einem gegebenen Zeitpunkt innerhalb einer Generation existieren, zueinander in Beziehung. Die so zusammengeführten generationellen Ansprüche werden anschließend entlang der Zeit gegeneinander abgewogen. Letztere hingegen verwirft die Generation als relevante Gruppe, um die Bedürfnisse des Individuums zu vertreten. Stattdessen basiert sie auf der Idee transgenerationeller Gemeinschaften. Sie stellt individuelle Ansprüche zunächst innerhalb der jeweiligen, zeitlich ausgedehnten Gemeinschaft einander gegenüber. Anschließend setzt sie dann diese Gemeinschaften zueinander in Beziehung. Bestehende Theorien generationenübergreifender Gerechtigkeit verfolgen dabei zumeist eine Extensionsstrategie: Sie erweitern eine bestehende intragenerationelle Theorie um die zeitliche Dimension hin zur Intergenerationalität. Dies entspricht einer synchronen Konzeption, die jedoch oftmals nichts expliziert wird.
Demgegenüber entwickelt der Beitrag zwei Argumente für die diachrone Alternative. Konzentrieren wir uns weniger auf Forderungen ganzer Generationen, sondern auf Bedürfnisse künftiger Mitglieder unserer transgenerationellen Gemeinschaften, so werden wir, erstens, der motivationalen Herausforderung besser gerecht werden. Sie besteht in der Beantwortung der Frage, warum wir im heutigen Handeln überhaupt Raum für nachfolgende Interessen schaffen sollten. Innerhalb transgenerationeller Gemeinschaften stehen diese nachfolgenden Interessen jedoch nicht in Isolation, sondern sind durch Interaktion innerhalb der Gemeinschaft geprägt und erlauben uns damit, unsere eigenen Interessen über das eigene Leben hinaus zu verwirklichen. Zweitens können wir so auch der epistemischen Herausforderung begegnen. Diese stellt sich angesichts der Frage, worin eigentlich die nachfolgenden Interessen bestehen. Greifen wir sie nicht als kollektive Wünsche ganzer Generationen auf, sondern als die Pläne und Projekte künftiger Mitglieder unserer Gemeinschaft, so wird es leichter sein, vom Heute auf die Zukunft und ihre Bedürfnisse zu schließen.
Die Forderung, künftige Ansprüche im heutigen Handeln zu berücksichtigen, wirft die Frage nach dem ‚Warum‘ und die nach dem ‚Wie‘ auf. Beiden kann eine diachrone Konzeption intergenerationeller Gerechtigkeit eher begegnen.
Zitationsvorschlag
Ausgabe
Rubrik
Lizenz
Copyright (c) 2025 Colin von Negenborn

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.