Unfreiheit ohne Leiden
Zur Vernachlässigung sozialen Leidens in Honneths Theorie sozialer Freiheit
Schlagwörter:
Kritische Theorie, Soziale Freiheit, Anerkennung, Sozialphilosophie, Sozialtheorie, Soziales LeidenKey words:
Kritische Theorie, Soziale Freiheit, Anerkennung, Sozialphilosophie, Sozialtheorie, Soziales LeidenAbstract
In Axel Honneths Theorie sozialer Freiheit kann Freiheit im vollen Sinne nur in und durch Partizipation an sozialen Kooperationszusammenhängen verwirklicht werden. Eine Freiheitstheorie müsse daher, so Honneth in Abgrenzung zu liberalen und neokantianischen Konzeptionen, ausgehend von den in modernen Gesellschaften institutionalisierten Kooperationsbeziehungen formuliert werden. Zugleich erlaube es ein solches Vorgehen, Störungen in sozialen Kooperationsbeziehungen als Einschränkungen von Freiheit zu rekonstruieren und entsprechend zu kritisieren. Honneth geht im Unterschied zu seiner früheren Anerkennungstheorie inzwischen jedoch davon aus, dass derartige Funktionsstörungen keine individuellen Leiderfahrungen mehr hervorbringen müssen. Der Beitrag argumentiert hingegen dafür, dass Einschränkungen sozialer Freiheit notwendig zumindest schwache Formen sozialen Leidens nach sich ziehen und greift dafür auf einen von Honneth liegen gelassenen Argumentationsstrang zurück: Um unterscheiden zu können, ob ihre Absichten in der sozialen Kooperation zwanglos oder doch nur zwangsförmig realisiert werden können, müssen Individuen in der Lage sein, ihre Bedürfnisse und Interessen ebenso zwanglos zu deuten. Der Beitrag entwickelt zwei in Honneths Ansatz angedeutete, aber nicht ausgearbeitete Möglichkeiten, jene Selbstdeutungsprozesse zu erhellen: Einerseits Parsons Theorie der Wertverinnerlichung, andererseits Honneths Anerkennungstheorie, welche in der Freiheitstheorie lediglich einen abgeschwächten Status innehat. Da sich die Fähigkeiten zur Selbstdeutung in beiden Ansätzen auf dem Fundament psychologisch tief ansetzender Sozialisationsprozesse ausbilden, muss auch davon ausgegangen werden, dass die von Honneth beschriebenen sozialen Pathologien und Fehlentwicklungen das Verständnis der eigenen Bedürfnisse und Interessen auf eine Weise verzerren, die von den Individuen als leidvoll erfahren wird. Vor diesem Hintergrund lassen sich drei verschiedene Fälle unterscheiden: Unmittelbare Ausschlusserfahrungen, vorübergehende Blockaden der Fähigkeiten zur Selbstdeutung sowie Störungen in der Ausbildung jener Fähigkeiten. Allerdings werden sowohl die Verinnerlichungs- als auch die Anerkennungstheorie den konzeptionellen Prämissen der Theorie sozialer Freiheit nicht vollständig gerecht, sodass es, wie abschließend festgehalten wird, für eine detaillierte Ausarbeitung des Zusammenhangs weiterer konzeptioneller Arbeit bedarf.
In Axel Honneths Theorie sozialer Freiheit kann Freiheit im vollen Sinne nur in und durch Partizipation an sozialen Kooperationszusammenhängen verwirklicht werden. Eine Freiheitstheorie müsse daher, so Honneth in Abgrenzung zu liberalen und neokantianischen Konzeptionen, ausgehend von den in modernen Gesellschaften institutionalisierten Kooperationsbeziehungen formuliert werden. Zugleich erlaube es ein solches Vorgehen, Störungen in sozialen Kooperationsbeziehungen als Einschränkungen von Freiheit zu rekonstruieren und entsprechend zu kritisieren. Honneth geht im Unterschied zu seiner früheren Anerkennungstheorie inzwischen jedoch davon aus, dass derartige Funktionsstörungen keine individuellen Leiderfahrungen mehr hervorbringen müssen. Der Beitrag argumentiert hingegen dafür, dass Einschränkungen sozialer Freiheit notwendig zumindest schwache Formen sozialen Leidens nach sich ziehen und greift dafür auf einen von Honneth liegen gelassenen Argumentationsstrang zurück: Um unterscheiden zu können, ob ihre Absichten in der sozialen Kooperation zwanglos oder doch nur zwangsförmig realisiert werden können, müssen Individuen in der Lage sein, ihre Bedürfnisse und Interessen ebenso zwanglos zu deuten. Der Beitrag entwickelt zwei in Honneths Ansatz angedeutete, aber nicht ausgearbeitete Möglichkeiten, jene Selbstdeutungsprozesse zu erhellen: Einerseits Parsons Theorie der Wertverinnerlichung, andererseits Honneths Anerkennungstheorie, welche in der Freiheitstheorie lediglich einen abgeschwächten Status innehat. Da sich die Fähigkeiten zur Selbstdeutung in beiden Ansätzen auf dem Fundament psychologisch tief ansetzender Sozialisationsprozesse ausbilden, muss auch davon ausgegangen werden, dass die von Honneth beschriebenen sozialen Pathologien und Fehlentwicklungen das Verständnis der eigenen Bedürfnisse und Interessen auf eine Weise verzerren, die von den Individuen als leidvoll erfahren wird. Vor diesem Hintergrund lassen sich drei verschiedene Fälle unterscheiden: Unmittelbare Ausschlusserfahrungen, vorübergehende Blockaden der Fähigkeiten zur Selbstdeutung sowie Störungen in der Ausbildung jener Fähigkeiten. Allerdings werden sowohl die Verinnerlichungs- als auch die Anerkennungstheorie den konzeptionellen Prämissen der Theorie sozialer Freiheit nicht vollständig gerecht, sodass es, wie abschließend festgehalten wird, für eine detaillierte Ausarbeitung des Zusammenhangs weiterer konzeptioneller Arbeit bedarf.
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